Also eins ist schon mal klar:
Nach Achim werden wir am Sonntag nicht fahren müssen. Ganz sicher nicht.
Denn zwei Tage hintereinander im Auto bei der Wärme, das muss ja auch nicht sein…..
Was nun aber auch nicht bedeutet, dass wir den Roller kaufen werden, den wir uns morgen in Nortorf angucken werden. Denn da ist schlicht was dazwischen gekommen – und das ist auch wieder eine längere Geschichte, die gestern Morgen ihren Anfang nahm:
Dabei begann der Tag für mich, wie jeder Tag beginnt:
Vor Beginn meines „Tagewerkes“ (also Haushalt und Einkaufen, so wie ich es eigentlich geplant hatte), also noch beim erstem Kaffee und meiner Morgenlektüre am Computer nebst dem üblichen Blick auf die Kleinanzeigenplattform bekam ich plötzlich eine Anzeige vorgeschlagen, die ich zwar vorher schon gesehen, aber nicht weiter beachtet hatte – unter anderem, weil der angebotene Roller eigentlich deutlich über dem lag, was ich mir- wir uns – als Limit für diesen Kauf gesetzt hatten – und weil der Roller schon 18 Jahre alt, also für Rollerverhältnisse ein ziemlicher Oldtimer ist.
Zudem war er auch nicht angemeldet, eine Probefahrt wäre also wohl nicht möglich…..
Eigentlich wollte ich deshalb schon weiter blättern, habe dann doch aber spasseshalber die Anzeige mal geöffnet und bin sofort am ersten Bild hängen geblieben:
„Oups. der sieht ja aus wie eine Neuer“
so mein erster Gedanke…..
Und auch die anderen Bilder zeigten ein ähnlich gutes Bild – wie man es eigentlich nur bei Fahrzeugen aus Rentnerhand findet: gekauft, geputzt, gehätschelt und getätschelt und kaum bis gar nicht gefahren, aber jedes Jahr brav zur Inspektion in die Vertragswerkstatt gebracht.
Eigentlich gar nicht so verkehrt, wenn nicht die Besitzer oft auch einen Hang zum Basteln hätten und allen möglichen Klimbim verbauen würden, so dass letztendlich eine fürchterliche Bastelbude vor einem steht – worauf auch der unverschämt teure Chrombügel über dem Vorderrad hindeutet.
Noch dazu war die Anzeige von einer Dame,“Angela“* eingestellt… und ein typisches „Mädelsfahrzeug“ sind schwere Roller dieser Art eher nicht (Chauvi, ich weiss )
Was auch in diese Richtung deuten könnte, weil Opa selbst nicht mehr fährt und auch mit Computern nicht umgehen kann…..
Trotzdem habe ich mir die anderen Bilder dann auch noch angesehen, die einen ähnlich guten Pflegezustand zeigten und dazu noch ein Gimmick, das auch richtig teuer und deshalb eher selten ist – ein fest verbautes Original-Radio von Piaggio (!!!) am linken Lenkerstummel – damals beim freundlichen Piaggio-Händler gute Tausend Taler wert… (und heute – achtzehn Jahre später – als Gebrauchtteil nicht unter dreihundert Euro zu bekommen. Dafür gibt es immerhin schon einen ausgelutschten, fahrbereiten Chinaroller)
Hmm…..
Auch der sehr allgemein gehaltene Anzeigentext deutete auf den ersten Blick in die selbe Richtung:
In achtzehn Jahren nur 5600 Kilometer gelaufen – also keine 300 Kilometer im Jahr – und aus erster Hand (!) – also ein Stehroller.
Aber mit frischem Tüv…. ob Opa das noch selbst gemacht hat???
Hmm…..
Also weiter geblättert und dann festgestellt, dass diese Anzeige irgendwie in meinem Kopf hängen geblieben ist – zumal der bewusste Roller hier in Hamburg steht.
Nochmal zurück geblättert, nochmal Bilder geguckt, nochmal den Text gelesen – einmal, zweimal, dreimal….
Hmm…..
Irgendwie hat das Ding was….
Und dann hab ich den Link zur Anzeige an die Liebste geschickt.
Kurz darauf die Antwort:
„Eigentlich zu teuer.
Aber schreib die Verkäuferin mal an. Fragen kostet ja nichts“
Genau das habe ich dann auch gemacht und in die Nachricht auch gleich alle meine Fragen gepackt, samt meiner Telefonnummer.
Keine drei Minuten später klingelt mein Handy, ein Mann ist dran, der Gatte von „Angela“*, der förmlich übersprühte im Bemühen meine Fragen zu beantworten:
Er habe den Roller von einem pensionierten Kollegen bekommen (also doch Rentnerfahrzeug!) und für sich selbst aufgearbeitet – in seiner Firma, einem KFZ-Betrieb – ohne dass seine Frau davon gewusst hätte. Aber die sei nun dagegen, das er auf so einem „Monster“ fahre, da er gerade erst (vor ein paar Monaten – wie meine Liebste) den Führerschein für 125er-Roller gemacht habe und bisher immer nur eine ganz kleine, leichte Maschinen gefahren sei, mit der er letztes Jahr zu allem Überfluss auch noch einen Unfall gehabt hätte.
Eigentlich wolle er den Roller nicht abgeben, aber bevor die Ehestreitigkeiten weiter eskalieren…..
Und dann hat er mir ausführlichst erzählt, was alles an dem Moped gemacht worden sei, (u.A. alle Verschleissteile getauscht, Reifen neu, bis in die letzte Ecke mit Pinsel und Staubsauger geputzt, poliert, neue Papiere besorgt, weil die alten verloren gegangen wären, Einzelabnahme beim Tüv – die ganze Latte also) wofür er fast sechshundert Euro investiert habe, was er auch alles belegen könne.
Über den Preis könne man trotzdem reden, aber er sage mir gleich, dass er das Fahrzug nur an jemanden abgeben würde, der Erfahrung mit solchen Fahrzeugen habe und die alte Technik auch zu schätzen wisse. Und dabei merkte man schon, wie sehr ihm das Herz blutete bei dem Gedanken, den Roller nun doch nicht behalten zu können.
Aber ich solle mal vorbeikommen, er habe Urlaub und sei zu Hause…
Hmm…..
Daraufhin habe ich erst mal mit meiner Liebsten konferiert und ihr den Stand der Dinge berichtet, worauf die Rückfrage kam:
„Fährst Du hin?“
und wir kurz überlegt haben, wie weit wir unser Limit ausdehnen können. Dann habe ich den Verkäufer um seine Adresse gebeten – immer noch leicht im Zweifel – aber angucken und Preis ausloten kosten ja nichts – und bin nach erledigtem Wocheneinkauf da vorbei gefahren.
Als ich ankam, stand die „Oma“ dann schon blitzend und blinkend an der Strasse und der stolze Besitzer daneben:
„Eigentlich will ich die ja nicht verkaufen, und ich hatte auch gehofft, dass sich möglichst keiner meldet, damit ich meine Frau vielleicht doch noch überzeugen kann“
so begrüsste er mich, während „Angela“* hinter ihm im Vorgarten rumwuselte und später vom Küchenfenster aus die ganze Zeit unser Gespräch beobachtet hat. Alle anderen potentiellen Käufer habe er abgelehnt, weil er nicht den Eindruck gehabt habe, dass die mit so einem schweren Fahrzeug umgehen könnten. Einer sogar ein erst achtzehnjährigen Jüngling mit ganz frischem Führerschein, ohne Fahrpraxis und gleich mit Flausen im Kopf, was man alles umbauen könne, um
„… die Karre aufzumotzen“
Da sei das Gespräch gleich zu Ende gewesen und eine Probefahrt habe es auch nicht mehr geegben. Für sowas wäre der Roller eigentlich zu schade.
Wozu ich ihm nur beipflichten konnte, denn die Piaggio X9 ist wirklich ein Schmuckstück, der man ihr Alter nicht ansieht – mustergültig gepflegt, und auch technisch im allerbesten Zustand – wie sich im weiteren Verlauf herausstellte. Tatsächlich bekam ich sogar alle versprochenen Belege für die Ersatzteilkäufe gezeigt und auch am Fahrzeug selber jedes Detail.
Und ganz ehrlich: ich habe wirklich gestaunt.
Auch zum Vorbesitzer habe ich noch einiges erfahren:
Der habe den Roller nur zu zwei, drei Gelegenheiten im Jahr gefahren und sei ansonsten immer auf einer kleinen Fünfziger als Alltagsmaschine unterwegs gewesen, weil er den „Grossen“ schonen wollte. Und nun, wo er in Rente sei, wäre ihm der zu schwer geworden. Nur deshalb habe er ihn abgegeben….
Glaubhaft, weil das gerade bei solchen Rollern immer wieder mal passiert – immerhin ist die X9 durchaus sowas wie ein Mercedes zwischen den ganzen billigen Chinarollern. Für den damaligen Verkaufspreis von deutlich über 5000€ inklusive der verbauten Extras hätte man auch einen sehr guten Gebrauchtwagen kaufen können.
Und dann, nach einem langen Benzingepräch die Frage:
„Wollen sie mal Probefahren?“
Darauf hatte ich gewartet!
Immerhin wohnte der Verkäufer in einer ganz kleinen Nebenstrasse, und eine kurze Test-Fahrt war so auch ohne Kennzeichen möglich, einfach um zu probieren, wie das Teil sich anfühlt, wie er beschleunigt und wie er bremst – und ob er dabei schön gerade ausläuft:
„Das hat der Tüv-Prüfer auch so gemacht, der hier war, weil ich den Roller ohne Zulassung nicht hätte dahin fahren können“
Und was dem Herrn Ingenieur recht ist, kann mir nur billig sein….
Also habe ich mich nicht zwei mal bitten lassen und die Gelegenheit genutzt – einmal die Strasse rauf und runter.
Mein erster Eindruck:
Die „Oma“ hat noch richtig Feuer unterm Hintern!
Zwar beschleunigt sie „unten heraus“ nicht ganz so zackig wie unsere „Grosse Rote“, dafür aber mit „richtig Dampf“, wenn die Dreissig-Stundenkilometer-Grenze erst mal überschritten ist. Bei sechzig war allerdings Schluss. Mehr habe ich mich in der kleinen Wohnstrasse nicht getraut, zumal illegal und ohne Nummernschild unterwegs.
Geradeaus läuft sie jedenfalls gut und die Bremsen sind richtig bissig.
Und auch ansonsten fühlt sie sich an wie eine „Neue“…. Der Verkäufer hatte also nicht zuviel vesprochen….
Wieder zurück vorm Carport des Verkäufers („Angela“* stand immer noch hinter dem Fenster) meinte der:
„Ich sage das ja nicht gerne – aber Ihnen würde ich den Roller verkaufen!“
um dann nochmal anzufangen mir Dinge an der Maschine zu zeigen – unter anderem das Radio – und mir noch letzte Details zu erklären. Über den Preis könne man ja reden.
Worauf hin ich mal die Taktik ausprobiert habe, die ich vorher mit der Liebsten abgesprochen habe:
Auch ich habe eine „garstige“ Ehefrau zuhause, und die habe mir (was natürlich nicht stimmte) ein sehr enges Limit gesetzt, beinahe einen halben Tausender von seinen Preisvorstellungen entfernt. Aber angesichts des Zustandes der Maschine könnte ich ja mal „vorsichtig“ versuchen mit ihr zu reden, wenn er mir ein gehöriges Stück entgegen kommen könne und wir uns die Differenz zwischen meiner und seiner Preisvorstellung teilen.
Kurzes Überlegen bei ihm (wobei er sicherlich „Angela’s“* Blicke im Rücken gespürt haben muss), ein kurzes Zögern , ein trauriger Blick, dann der Satz:
„Das können wir so machen!“
Bingo!
Auf den Handschlag um das Geschäft zu besiegeln haben wir allerdings verzichtet – zum einen Corona wegen – zum anderen aber auch, weil ich das wirklich nochmal überschlafen wollte. (und auch den Roller in Nortorf nochmal angucken möchte, der ähnlich gut aussieht, aber um einiges mehr gelaufen hat und billiger ist)
Immerhin konnten wir aber noch klären, wie das Geschäft ablaufen soll, falls ich den Roller kaufe:
Zug um Zug. Dann würde ich nächste Woche hinfahren, den halben Preis anzahlen und im Gegenzug die Papiere bekommen, damit ich ihn anmelden kann und am 18. nach der Zulassung mit Nummernschild und dem restlichen Geld die „Oma“ abholen… was dem Verkäufer nur recht war, weil er dann wenigsten den Anblick noch ein paar Tage geniessen kann, wenn er schon nicht damit fahren darf.
Der arme Kerl.
Ich kann ihn da nämlich gut verstehen:
Da hat er soviel Mühe und Liebe in die Maschine investiert und sie dann abgeben zu müssen….
Und irgendwie kann ich auch „Angela“* verstehen, die sich Sorgen um den Vater ihrer kleinen Kinder macht.
Das ist sicher auch nicht einfach.
-_-_-_-
Bleibt noch anzumerken, dass wir morgen auf jeden Fall nach Nortorf fahren werden, auch wenn mein Bauchgefühl mir im Moment sagt, dass die „Oma“ (den Namen hat sie jetzt weg) und ich sicher gut zusammen passen würden, schon weil wir uns im Naturell nicht unähnlich sind:
Am Anfang behäbig, aber wenn die Sache erst mal rollt, dann rollt sie und ist kaum noch aufzuhalten. So bin ich und so verhält es sich meinem ersten Eindruck nach mit „Oma“ auch. Sprinterqualitäten haben wir beide nicht, aber Ausdauer.
(Und genauso verhält es sich mit meiner Liebsten und der „grossen Roten“auch:
Die beiden passen gut zusammen, was das Temperament angeht – gleich von Anfang an mit voller Power)
Gespannt bin ich trotzdem auf die jetzt „zweite Wahl“, nachdem ich beim Besitzer der Blauen in Achim schon abgesagt habe. Könnte ja immerhin sein, dass mir die Graue auch richtig gut gefällt. Und dann wird die Entscheidung richtig schwer….
Und wenn nicht, dann haben wir anschliessend auf jeden Fall einen schönen Ausflug gemacht.
Schaumermal.
Aber vorher ist heute nachmittag nochmal eine Rollertour auf der „kleinen Schwarzen“ angesagt: Kleiner Wocheneinkauf mit der Liebsten im Hofladen mit anschliessender Überlandpartie.
Mal gucken wo der Weg uns dann hinführen wird
Einstweilen bleibt gesund und bleibt behütet
Wir lesen uns
*)Name von der Redaktion geändert
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