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Die Spassbremse in mir

Wenn ich in diesem Blog so über die letzten Wochen zurück blättere, dann fällt mir vor allem eins auf – nämlich, dass gewisse Themen sehr in den Hintergrund getreten sind, die sonst öfter mal vorkamen:
Meine Zipperlein – und da ganz speziell auch meine Probleme mit dem Rheuma – was eigentlich in gutes Zeichen ist.
Was nun aber nicht bedeutet, dass ich diesbezüglich so gar keine Probleme mehr hätte – im Gegenteil ist es natürlich noch da und bringt sich auch gelegentlich recht heftig in Erinnerung. Aber es steht nicht mehr so im Vordergrund wie noch vor ein paar Wochen  oder Monaten, sondern ist Teil meines Alltags, meines Lebens geworden – ein ständiger Begleiter wie auch meine Beingeschichten.

Oder kurz: ich habe mich daran gewöhnt, dass es so ist wie es ist, dass meine Finger steifer geworden sind, dass meine Feinmotorik schlechter geworden ist, dass mir gewisse Dinge nicht mehr so gut von der Hand gehen wie früher – und ich ärgere  mich nicht mehr, wenn es mir nur mit Schwierigkeiten gelingt, eine kleine Schraube in ein winziges Loch zu drehen oder ich beim Schreiben am Computer immer wieder Buchstaben auslasse und meine Texte mühselig immer wieder korrigieren muss. (Knöpfe knöpfen muss ich ja nicht, weil ich keine Hemden trage).
Da probiere ich dann halt solange rum, bis alles passt, sowohl, was die Schrauben und Buchstaben angeht, als auch bei anderen Dingen, wo sich meine Ungeschicklichkeit ähnlich bemerkbar macht.
Das ist dann eben jetzt so.
Punkt.

Wenn ich so darüber nachdenke, muss da wohl in den letzten Wochen ein ähnlicher Prozess in meinem Kopf abgelaufen sein, wie ich ihn auch bezogen auf meine eingeschränkten Fähigkeiten als Fussgänger schon durchgemacht habe – damals war es ja vor allem die Tretmühle des Hamsterrades, die mir das Thema irgendwann als „völlig normal“ erscheinen lies, nachdem ich gelernt hatte es in meine täglichen Abläufe zu integrieren, so dass ich selbst meine Behinderung kaum noch als Behinderung wahr genommen habe….
Und das ist bis heute so geblieben, auch wenn ich manchmal schon heftig die Zähne zusammen beissen muss und nicht immer ganz bis zu dem Ziel komme, welches ich eigentlich erreichen wollte – wie den Wilseder Berg am letzten Wochenende. Schön war unser Ausflug ja trotzdem – und das ist doch die Hauptsache.
Insofern sind mir auch im Lauf der Zeit die Gründe verloren gegangen, Dinge gar nicht erst zu versuchen, weil ich sie „vermutlich sowieso“ nicht schaffen würde (da ist er wieder, der Plan zu Pilgern! )- sondern meine Einstellung hat sich eher in die Richtung verändert, dass ich vorab überlege, welche Möglichkeiten (und ggf. Hilfsmittel) ich nutzen kann um mit meinen  Einschränkungen und gegen die Argumente des  inneren Schweinehundes doch dahin zu kommen, wo ich hin will.Überhaupt, der Schweinehund!
Der repräsentiert vor allem Ängste die in mir stecken, beispielsweise die Angst vor Schmerzen, wenn es darum geht, längere Strecken zu Fuss zu gehen – oder bezogen auf mein neues Hobby (die Oma) die Befürchtung, erneut zu stürzen wie anno dunnemals mit der Hexe. Und so will er mir einreden, dass es besser wäre, manche Dinge gar nicht erst anzugehen, weil ich ja sowieso….  (Ihr kennt das sicher auch?)
Doch damit hat er meistens unrecht, wie sich jedes mal gezeigt hat, wenn ich vorsichtig und in kleinen Schritten versucht habe, das zu tun, was er mir ausreden wollte.
Das war im Hamsterrad so,  bei jedem längeren Fussmarsch  (und derer gab es bekanntlich inzwischen viele – wie zuletzt am letzten Wochenende, aber auch auf Helgoland, in Stockholm, an den Tage in Polen usw.) und hat sich jetzt auch wieder im Bezug auf das Rollerfahren gezeigt, was nach ersten zaghaften Versuchen nun auch in schwierigen Situationen wie im Stadtverkehr oder bei schlechtem Wetter wieder richtig gut funktioniert – also den Schweinehund in allen Punkten widerlegt und sogar zu der Erkenntnis geführt hat, dass meine Einschränkungen überhaupt keine Rolle spielen, wenn ich auf zwei Rädern unterwegs bin.

Der Schweinehund also als Spassbremse, die mich mehr behindert, als meine wirklichen  Behinderungen es tun?

So wird es wohl sein, wie auch diese letzte Erfahrung zeigt.
Wie auch, dass ich in Zukunft besser daran tun werde, nicht allzusehr auf ihn zu hören, sondern seine Bedenken nur in soweit in meine Überlegungen einzubeziehen, wie es nötig ist, um mich selbst nicht zu überschätzen oder den Respekt vor neuen Erfahrungen zu verlieren….

„Respekt muss sein, um nicht unvorsichtig zu werden, Ängste aber nicht.
Schon gar  nicht in der Form, wie sie der Bedenkenträger in mir immer wieder in den Vordergrund spielen will. „

So etwa könnte ein Merksatz lauten, wenn ich an zukünftige Unternehmungen denke.
Und letztendlich gilt ja auch, dass nur ein Versuch klug machen kann und zeigen wird, was wirklich geht und was nicht.
Beispielsweise auch bei meinen Pilgerplänen oder bei allem, was handwerklich so ansteht.

In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns


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6 Replies to “Die Spassbremse in mir”

  1. Wer hat und kennt ihn nicht, den inneren Schweinehund, der gerne mal so vieles zu verhindern sucht. Ich finde es schon immer wieder beeindruckend wie Du Dich nicht unterkriegen lässt und durch Danzig, Krakau, Stockholm oder die Lüneburger Heide stratzt, wo ich ja schon Bedenken habe, das wir zu weit laufen und dann geht nix mehr und wir stehen irgendwo in der Wallapampa. Selbst die fusstechnisch schwierige Düne in Leba hast Du geschafft. Du solltest das machen mit dem Pilgern. Und wenn Du es testweise erst mal zwischen Hamburg und Lübeck machst, kann ich Dich jederzeit irgendwo aufsammeln, sollte es doch nicht gehen. Wobei ich denke, es wird gehen, solange Du das Tempo bestimmen kannst. Und manches geht halt einfach nicht mehr, das geht uns ja allen so, die wir älter sind. Das ist dann eben auch ganz normal.
    Ich finde es jedenfalls klasse, dass Du immer wieder auch Dinge machst, die der innere Schweinehund verhindern möchte. Und das Oma jetzt vor der Tür steht, ist einfach nur schön. Ich freue mich schon darauf, mit Dir gemeinsam durch die Gegend zu düsen…. gemächlich im Rentnertempo 8-)

    1. Die Angst, das nichts mehr geht hatte ich bei unsern Ausflügen noch nie – jedenfalls nicht, wenn wir zusammen unterwegs waren.
      Wenn ich alleine unterwegs bin, achte ich da allerdings schon mehr drauf, u.a. dadurch, dass ich immer auch eine Rückfahrgelegenheit mit Öffies oder einem Taxi habe.
      Aber Toitoitoi – das war bisher noch nie nötig.

      Und was das Rollerfahren angeht, finde ich es inzwischen ziemlich schade, das nicht schon viel eher wieder probiert zu haben – da hätten wir nämlich schon einige Fahrten machen können. Aber es ist ja nicht zu spät – die können wir alle noch nachholen.

  2. Ja, genau! Genau so sollte man mit einer körperlichen Einschränkung umgehen! Respektvoll, mit Geduld und Langmut, aber auch darauf bedacht, Ängste zu überwinden, sich Vorhaben zuzutrauen, Mut haben, raus gehen, sich Ziele setzen, nach deren Erreichen man dann schier platzen könnte vor gutem und berechtigtem Stolz. Der Krankheit und dem inneren Schweinehund auch gerne mal den Stinkefinger zeigen und damit klar machen, wer hier im Körper das Sagen hat. Sich von dem, was da in einem wütet, niemals die Freude am Leben, die Lust am Entdecken, sich ausprobieren, sich fordern nehmen lassen. Sich aber auch darein finden, wenn’s mal nicht so geht, wie man das gerne hätte, sich aber nicht jammernd und mit Selbstmitleid zurück ziehen, sondern nach Lösungen suchen, und diese dankbar annehmen.

    1. Jammern war noch nie so meins, ausser in Zeiten tiefster Depression.
      Im Gegenteil habe ich mich eigentlich immer mehr bei dem gesehen, was geht und nicht bei dem, was nicht (mehr) geht….

      Wozu auch noch kommt, dass es schon immer Dinge gab, in denen ich körperliche Einschränkungen erfahren habe – schon in der Schule. Da war ich nämlich der „unsportliche Dicke“ in der Klasse und konnte mich an vielen Stellen nicht mit anderen messen, die im gleichen Alter waren. (Dafür war ich aber der beste Sprungruben-Harker in meinem Jahrgang 8-) und auch ein passabler Torpfosten beim Fussball )

      Also hab ich meinen Weg damals vor allem darin gesucht, gute Leistungen in anderen Gebieten zu bringen – Naturwissenschaften (Mathe, Physik, Chemie, Biologie) beispielsweise – und war in diesen Dingen auch oft Klassenbester – ja teilweise sogar Nachhilfegeber für die Sportskanonen – und habe mir auf die Art Respekt und einen guten Stand in der Klasse verschafft.
      Wobei ich auch noch das Glück hatte, dass unser Klassenlehrer es gut unter den Hut bekommen hat, jeden mit seinen Fähigkeiten ins Klassengefüge (er nannte es „Team“) zu integrieren.
      Und davon habe ich auch später noch viel profitieren können – denn Teamplayer, das konnte ich ja gut….

  3. Den inneren Schweinehund habe ich immer als etwas verstanden, was mit Faulheit und Bequemlichkeit zu tun hat. Aber nicht mit Befürchtungen die aus alten Erlebnissen oder Erfahrungen stammen. Vielleicht war gerade jetzt die richtige Zeit für dich all das zu tun, was du vorher vermieden hast. Ich brauche immer ein gewisses Maß an Zeit und die nötige Zuversicht, bevor ich an meine Grenzen gehe, um sie auszutesten.

    1. Die Definition des Schweinehundes kenne ich auch , wobei sich das an manchen Stellen auch mischt in meinem Gefühl. Die Argumente gegen etwas, was ich tun möchte oder tun muss kommen jedenfalls immer aus der gleichen Ecke.

      Recht hast Du sicherlich damit, dass es auch bei mir immer eine gewisse Zeit braucht, bevor ich mich entscheiden kann, an meine Grenzen zu gehen oder sogar darüber hinaus. So mag das auch zutreffen mit dem „richtigen“ Zeitpunkt.
      Wozu jetzt auch noch kommt, dass ich insgesamt mehr das Gefühl habe, auch besser Risiken eingehen zu können, als ich das zu Zeiten konnte, als ich noch gearbeitet habe. Damals stand in meinem Kopf auch immer irgendwie im Vordergrund, dass ich auf jeden Fall meine Arbeitsfähigkeit erhalten müsste und tunlichst alles vermeide, was dies gefährden könnte.
      Da Arbeiten aber nun kein Thema mehr ist, ist natürlich auch diese Begrenzung gefallen….

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