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Menschliches

Jeder von uns hat in den letzten Tagen die Schlagzeilen mitbekommen, die davon berichten, dass ein junger Mann – seit acht Jahren in Deutschland lebend – nun mit achtundsechzig  anderen nach Afghanistan abgeschoben wurde, weil er hier straffällig geworden ist – und unmittelbar danach in einem Kabuler Hotel Suizid begeht.
Der junge Mann war wohl kein Engel,  wie man den Artikeln zu dieser Schlagzeile entnehmen kann, er wurde in seiner Zeit hier in Deutschland straffällig und stand so auch im Konflikt mit der Gesellschaft, in der er gerne leben wollte. Viel mehr wissen wir auch nicht über ihn – nichts über seine Träume, nichts über die Gründe, warum er nach Deutschland kam, nichts über das, was vor seiner Flucht aus Afghanistan geschah….

Aber eins wissen wir sicher:
Er war ein Mensch, der in Frieden und ohne Angst leben wollte.

Genau wie vorher schon eine Reihe anderer, dies sich ebenfalls aus Angst vor Abschiebung selbst umgebracht haben oder Versuche in dieser Richtung unternahmen – ohne dass die Öffentlichkeit davon gross Notiz genommen hätte. Allenfalls kleine Meldungen berichteten davon, Randnotizen, die lediglich einigen Rassisten  und Ausländerhassern als Anlass dienten, sich hämisch dazu einzulassen. Kaum der Rede wert, Nebenprodukt eines Klimas von Ignoranz und menschlicher Kälte, wie es in unsere Gesellschaft mehr und mehr zum Alltag wird.

Und während die Meldungen über den Toten in Kabul durch die Schlagzeilen tickerten, mussten wir gleichzeitig von einem anderen Menschen lesen, der sich darüber freut, dass ausgerechnet an seinem neunundsechzigsten Geburtstag neunundsechzig Menschen zurück geschickt wurden in ihr Land, dass keinesfalls so friedlich ist, wie am grünen Tisch in Berlin beschlossen wurde.
Dieser Mensch – Politiker einer angeblich christlichen Partei, gleichzeitig einer der mächtigsten Minister unseres Landes und schon seit Wochen bestimmend für die Schlagzeilen – demaskiert sich ohne jedes Schamgefühl und zeigt damit einmal mehr, dass Rücksichtslosigkeit und fehlende Empathie ganz in der Mitte der Gesellschaft und der Politik angekommen sind und man sich ungestraft über das Schicksal anderer lustig machen darf….
Er selbst sitzt ja sicher in seinem warmen Sessel und hat keine Konsequenzen zu befürchten  – genau wie das Pack, dass es ihm gleich tut und sich in den Kommentarspalten der Zeitungsmeldungen über den Toten in Afghanistan lustig macht.
Auch dieses Pack  – vergessen wir es nicht –  besteht aus Menschen.
Menschen, deren Menschlichkeit vom Hass zerfressen wird –  den selben Menschen im übrigen, die gleichzeitig die Rettung von 13 Menschen aus einer überfluteten Höhle in Thailand feiern, während sie die Retter hunderter Menschen im Mittelmeer verteufeln…

Was nicht in der Zeitung steht ist der Fortgang der Geschichte einer jungen Frau, über die ich neulich schon mal berichtet habe:

Denn auch bei ihr zeigt diese Kälte nachhaltige Wirkung, wie ich in den letzten Tagen erleben musste.
Ihre Fröhlichkeit und Neugier ist verschwunden , mit der sie am Montag mit mir zusammen die Tour begann, verdrängt von Anspannung und offensichtlicher Angst, bei jedem neuen und ihr unbekannten Kunden könne wieder das gleiche passieren, wie am Montag mit diesem pöbelnden alten Mann, der sie so hasserfüllt angegangen ist.
Daran haben auch alle Gespräche darüber bisher nichts ändern können. Der Schock sitzt viel tiefer, als ich am Montag noch dachte.
So ist es inzwischen fraglich, ob sie ihr Praktikum bei uns weiterführen kann, das sie aber unbedingt nachweisen muss, um abschliessend zur Prüfung zugelassen zu werden….
Dennoch werden wir versuchen, ihr das zu ermöglichen – und ich bin sehr froh, dass dabei alle in der Firma an einem Strang ziehen und sie nun in eine Tour mit Kunden wechseln darf, die wir gut kennen und gut genug einschätzen können, um ihr weitere Erlebnisse wie am Montag zu ersparen.

Froh bin ich auch darüber, dass meine Liebste und ich nun drei  freie Tage zusammen haben, eingeläutet von einem leckeren Geburtstagsessen gestern abend.
Zeit, die bis auf einen Termin heute Abend nicht verplant ist.
Zeit für uns.

Hoffentlich  mal ohne schlechte Nachrichten und griesgrämige, hasserfüllte und pöbelnde alte Männer….

4 Replies to “Menschliches”

  1. Tragisch finde ich, das der Typ dann sozusagen gewonnen hat, wenn sie aufgibt. Ich glaube, keiner kann wirklich nachvollziehen, wie tief einen ein solcher verbaler Angriff treffen kann. Mir kommt echt die Galle hoch… dieser widerliche Sack. Wenigstens hat er jetzt Mühe, jemanden zu finden, der ihn versorgt. Da muß man ja oben und unten braune Scheiße putzen, wer will das schon.

    1. Niemand wird sich darum reissen, den Typen versorgen zu müssen – zumal nicht anzunehmen ist, dass er nun wirklich was begriffen haben könnte

      Denn immerhin hat er ja nach gerade mal zwei Tagen und einigen erfolglosen Versuchen, bei anderen Pflegediensten unterzukommen versucht, nochmal bei uns wieder aufgenommen zu werden….

      Aber erfolglos (zum Glück)

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