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Unwohlsein

Ich komme gerade von dem Gedanken nicht los, dass dieser Blog thematische Tendenzen entwickelt, die ich ganz am Anfang eigentlich aussparen wollte, als ich mir überlegt habe, mit welchen Inhalten ich ihn füllen könnte. Politische Inhalte sollten eigentlich nicht vorkommen, ich wollte aus meiner Welt berichten und – in Tagebuchform – Dinge festhalten, die mir im Lauf der Zeit vor die Füsse fallen – Alltägliches, skuriles, persönliches, dazu ein paar Anmerkungen über meine Bücher und meine Musik…
Dass ich das nicht durchhalten kann, habe ich ein paar Monate später gemerkt, geschockt vom G20-Gipfel und dem Ergebnis der Bundestagswahl, die im Grunde nur das bestätigt hat, was die Umfragen vorher schon vermuten liessen.

Und so kam irgendwann die Erkenntnis, dass auch dieser politische Themenkreis Teil meines Alltages ist und ich auch dazu etwas schreiben muss – zumal mir nicht am Ars.. vorbei geht, was in diesem Land passiert und wie es sich dadurch verändert.

Ich bin nun mal nicht damit einverstanden, dass Unmenschlichkeit und Unbarmherzigkeit zum Politischen Konsens werden, dass es Normalität werden soll, Menschen einfach verrecken zu lassen, die Hilfe brauchen.
Ich bin nicht einverstanden mit den Seehofers, Söders, und Gaulands dieser Welt.
Ich bin nicht einverstanden mit dem Verhalten einer Kanzlerin, die sich von diesen Herren vorschreiben lässt, was sie zu machen hat – und auch nicht mit einer SPD, die einem windelweichen Kompromiss zustimmt, nur um für eine weitere – hoffentlich sehr kurze Zeit –  an der Macht zu bleiben.
Und ich frage mich, ob die alle keine Augen im Kopf haben, nicht sehen (wollen?) was passiert, nicht in der Lage sind eine menschliche Antwort auf diese ganz einfache Feststellung zu finden, die in einem einfachen und vollkommen richtigen Satz beschreibt, was ein paar tausend Kilometer südlich die Menschen bewegt, den Weg übers Meer zu wählen, statt einfach da zu bleiben wo sie sind.

Genauso frage ich mich, warum die nicht sehen (wollen?), wie mit dieser Verrohung in der Politik auch eine Verrohung in den Köpfen vieler Menschen in unserem Land einhergeht.
Solche Erlebnisse wie vorgestern sind da sicher  nur die Spitze des Eisberges, vieles brodelt momentan noch im Verborgenen, und was manche Menschen heute nur denken, sich aber nicht auszusprechen trauen, wird morgen vielleicht schon allgemeiner Konsens sein und ganz alltäglich.

In dem Zusammenhang wundert es mich auch nicht wenig, warum z.B. meine –  die evangelische -Kirche nicht viel lauter auf die wirklichen christlichen Werte  – Nächstenliebe und Barmherzigkeit – hinweist, statt diese Vokabel in Form einer leeren Hülse den Hetzern als Munition zu  für ihre scheinheiligen Kampagnen zu überlassen. Ich jedenfalls habe bisher nicht gehört, dass einer der evangelischen Kirchenfürsten Seehofer deutlich gesagt hätte, dass seine rechten Allüren vom Inhalt des neuen Testamentes soweit entfernt sind wie die Erde von der Sonne.
Die Herren von der anderen Fakultät sind da zwar etwas deutlicher, aber offensichtlich alleine auch nicht laut genug, um wirklich mehr zu sein als Rufer in der Wüste.

Und die Menschen in unserem Land?

Die Mehrheit schweigt, wartet ab, starrt wie das Kaninchen auf die Schlange.
Einige – bisher eine Minderheit – tutet mit ins Horn der Rassisten und Nationalisten, während eine andere Minderheit dagegen steht und versucht, das Unheil zu benennen und aktiv etwas  zu tun, indem sie Spenden sammelt, um die Rettungsaktionen der NGO’s allen politischen Widerständen zum trotz am Leben zu erhalten, indem sie auf die Strasse geht und demonstriert, oder indem sie darüber schreibt, dagegen ansingt und gegen die Kackblaue Flut argumentiert.

Dabei wird es vielen Menschen gehen wie mir:
Ich könnte ernsthaft schreien, weil mir diese unmenschliche Verrohung in unserem Land fast körperliche Schmerzen bereitet und ich mich absolut machtlos dagegen fühle;
weil ich nicht mehr tun kann, als die Spendensammler mit etwas Geld zu unterstützen und versuchen, wenigstens hier in meinem Blog meine unguten Gefühle in ein paar gestammelte Worte zu fassen oder auf FB den rechten Spinnern Kontra zu geben.
Ob ich damit etwas erreichen, vielleicht verändern kann?
Ich weiss es nicht.

Was ich aber weiss, ist dass es Menschen gibt, die bisher hier gelesen haben und sich nun aus meiner Abonnentenliste verabschiedet haben.
Wobei ich nur vermuten kann, dass sie hier wohl nicht mehr das finden, was sie suchen, möglicherweise auch, weil meine politischen Ansichten ihnen nicht passen.
Aber sei’s drum:
Reisende soll man nicht aufhalten und zwei, drei Leser weniger werden auch nichts daran ändern, dass ich meinem Unwohlsein hier Luft mache in der Hoffnung, auch andere motivieren zu können, die Gruppe der schweigenden Mehrheit zu verlassen und selbst Stellung gegen die braune Pest zu beziehen, die unser Land infiziert.

Denn einen anderen Weg sehe ich für mich nicht….

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