Manchmal begegnen einem Menschen, die irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein scheinen.
So auch eine – nicht demente – Kundin, Frau P., die zu glauben scheint, dass sie die einzige auf der Welt ist, die auf fremde Hilfe angewiesen ist , und sich auch dementsprechend verhält. Uns Pflegekräfte, und noch mehr die Kolleginnen, die zwei mal in der Woche ihren Haushalt machen, hält sie für – Zitat – „Personal“, dass ihr möglichst jeden Wunsch von den Augen ablesen und natürlich auch jederzeit für zusätzliche Aufgaben zur Verfügung stehen sollte, absolute Pünktlichkeit dabei natürlich immer vorausgesetzt.
Immer leicht missmutig – wie die selige Queen Victoria auf diesem Bild – hält Frau P. in ihrem Fernsehsessel Hof, um von dort aus herablassend Anweisungen zu erteilen, die regelmässig weit über das vereinbarte Mass an Leistungen hinaus gehen.
So erscheint es Ihr zum Beispiel ganz selbstverständlich, dass jeder Kollege, der Donnerstags zu ihr kommt, um ihre Kompressionstrümpfe anzuziehen, vorher noch an irgend einem Kiosk ihre Klatschpostillen ala „Das neue Blatt“ bersorgt, damit sie adelstechnisch auf dem Laufenden bleiben kann.
Das sie diese Extraleistung nicht bezahlen will, versteht sich natürlich von selbst: „Da kommen sie doch sowieso vorbei!“
Wenn dann jemand nicht daran denkt – oder wie ich – sich schlicht weigert, seine private Zeit für diesen „Service“ zu opfern, ist sie tödlich beleidigt und der Einsatz verläuft in eisigem Schweigen…
Gerne kommen dann aber noch Extrawünsche, wenn man schon die Jacke an und den Schlüssel in der Hand hat: „Gucken sie doch mal in meinen Briefkasten!“ -„Nehmen Sie den Müll mit runter!“ – „Legen sie mal meine Wäsche in den Schrank!“…..usw.
Immer im Befehlston, niemals mit den kleinen Wörtchen „Bitte“ oder „Danke“ und natürlich voraussetzend, dass man erst mal wartet, bis sie umständlich den entsprechenden Schlüssel von ihrem Schlüsselbund gepult hat, dann gegebenefalls drei Treppen runter und wieder rauf trabt und damit wieder fünf Minuten Zeit verschenkt, weil auch diese Leistungen natürlich nicht vereinbart sind…
Versucht man, ihr das zu erklären, bekommt man allenfalls die vorwurfsvolle Antwort, dass es „zu ihrer Zeit zum guten Ton gehörte, solche kleinen Gefälligkeiten gerne zu erweisen….“
Tja… würde ich ja machen, wenn solche Forderungen nicht jeden Tag kommen würden. …
Denn rechnet man die Zeit mal zusammen, die für diese Zusatzleistungen im Jahr drauf gehen, dann sind das bei täglich fünf Minuten immerhin mehr als 30 Stunden, entsprechend einem Gegenwert von gut 1400.- Euros, die meiner Firma dabei entgehen. Bezahlt werden wir nur für das Anziehen der Kompressionstrümpfe, also für 10 Minuten Arbeitszeit – und für zwei Stunden Haushaltsleistungen in der Woche, die auch regelmässig überzogen werden, weil Frau P. den Kolleginnen immer wieder damit Druck macht, dass sie in der Firma anruft und sich über „unzureichende Arbeitsleistungen“ beschwert….
Entsprechend unbeliebt sind natürlich die Einsätze bei ihr und auch immer mal wieder Thema in Dienstbesprechungen, die regelmässig – fruchtlose – Besuche der Pflegedienstleitung im Hause P. zur Folge haben, um nochmal über den vereinbarten Leistungsumfang zu reden.
Meine Chefin bekommt zwar immerhin Kekse, Tee und Likör angeboten, erreicht aber auch nichts, weil Frau P. keinen Deut von ihrem Standpunkt abrückt, ein Recht auf ein kostenfreies „Rundum-Wohlfühl-Paket“ zu haben….
Das unsere Firma – wie jeder Pflegedienst – davon lebt, was wir in unserer eng getakteten Arbeitszeit erarbeiten, will Frau P. so gar nicht einsehen.
Meine Pflegedienstleitung war jedenfalls völlig von den Socken, als Frau P. ihr gestern beim letzten Besuch allen Ernstes vorschlug, sich doch „eine andere Beschäftigung zu suchen, wenn das nicht ausreicht, was sie bei mir verdienen können“ und ihr bei der Verabschiedung noch mit auf den Weg gab: „Dann müssen sie halt mehr arbeiten, um Ihr Auskommen zu haben!“
Was nun wohl demnächst zur Folge hat, dass Frau P. sich einen anderen Pflegedienst suchen muss.
Denn – Zitat PDL – : „Genug ist genug!“
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