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Abenteuertour

Wähernddessen – bzw. heute im Lauf des Tages – in Münster:

Da hatte sich doch eine von mir sehr geliebte Dame in den Kopf gesetzt, heute zur Schafschur auf einen etwas weiter entfernten Biohof zu fahren, um für die handreichende Hilfe bei dieser Tätigkeit eine nennenswerte Menge Wolle zum Vorzugspreis zu bekommen. Zu diesem Behufe nahm sie sogar im Kauf, nicht auszuschlafen, sondern sich recht früh auf den Weg zu machen, allen Unbillen des Wetters zum Trotz.
Auch von kleinen technischen Problemen – wie einem streikenden Auto – liess sie sich natürlich nicht abhalten, sondern hat kurz entschlossen ihr Plastikpferd gesattelt, um durch Nebel und Kälte doch noch ans Ziel zu kommen.

So etwa hat ma(n)n sich das wohl vorzustellen:Und natürlich hat sie ihr Ziel erreicht – was für mich auch nicht ausser Frage stand, denn wo ein Wille, da findet Frau auch eine Transportmöglichkeit :-)

Im Ergebnis sind nun die Schafe nackig und müssen frieren  – und ein Teil der Wolle landete gepresst in sämtlichen verfügbaren Stauräumen des Motorrosses heile in der münsterschen Wohnung um dort nun gewaschen, versponnen, gefärbt und  verstrickt zu werden – und schlussendlich wärmende Bekleidung abzugeben…

Irgendwie schon ’ne geile Aktion, aber auch etwas mehr als ein wenig Gaga, wie die Dame selbst schreibt
Aber genau deshalb liebe ich sie ja, weil sie immer eine Lösung findet <3

Und gut, das nicht nur ich manchmal so bescheuerte Ideen habe – Stichwort : Landstrassengejuckel 8-)

Herrmann

Es hat ein Weilchen gedauert, bis ich es gefunden habe, das Bild, was ich unbedingt zur Illustration dieses Beitrages brauchte, zu dem mich Emil (gute Besserung übrigens) inspiriert hat.

Und da ist er nun, der „singende“ und rauchende Laternenträger, der schweigsam und mit seinem Holzlämpchen „leuchtend“ Begleiter fast jeder Weihnachtsbescherung meiner Kindheit war:Zu uns gekommen ist er Anfangs der sechziger Jahre als Gegengabe für eines der Weihnachtspakete, die meine Eltern immer an Freunde und Verwandte in die „Ostzone“ schickten (ja, so hiess das damals noch bei uns im Westen), vollgepackt mit Süssigkeiten, Kaffee, Apfelsinen, Schokolade und ähnlichen, was man damals da „drüben“ nicht immer kaufen konnte, und noch mit einigem an guten Dingen mehr, um die die Freunde gebeten hatten.
Und als Dankeschön gab es dann Schnitzereien und Holzspielzeug aus dem Erzgebirge, oder (später in den siebzigern) auch mal Fotozubehör,  was bei uns nicht gut zu bekommen bzw viel teurer war…

Kaum bei uns angekommen und das erste mal fröhlich schmauchend unter dem Weihnachtsbaum, musste der Gute natürlich auch einen Namen bekommen-und was lag da näher als ihn nach dem Cousin meiner Mutter zu benennen, der ihn uns damals geschenkt hatte.

Herrmann also :-)

Anfangs, so lange meine Geschwister und ich noch klein waren, hatte Herrmann ein sehr behütetes Leben:
Schlief er das Jahr über in seinem Karton bei den Weihnachtssachen, wurde er zum ersten Advent behutsam ausgepackt und nahm seinen Platz auf dem Wohnzimmerschrank ein, um das adventliche und weihnachtliche Treiben mit den Wohlgerüchen olfaktorisch zu untermalen, die aus seinem Mund heraus zogen – meisst Tannenduft, aber auch mal Zimt  oder Weihrauch – je nach dem, was gerade im letzten Ost-Paket gewesen war.
Und anschliessend, Anfang Januar, wenn der Weihnachtsbaum geplündert wurde, ging es für Herrmann wieder zurück in die Kiste bis zum nächsten ersten Advent.

Jahre später – wir waren inzwischen umgezogen – blieb Herrmann dieses traurige Kisten-Schicksal erspart.
Sein neuer Stammplatz war nämlich eine inzwischen beschaffte Vitrine, aus der heraus er gut am täglichen Leben teilhaben konnte, mit uns zusammen „Wetten das“ oder auch die ersten „Tatorte“ guckte, und ansonsten als dekoratives Stück nur einen guten Eindruck hinterlassen sollte. Das Rauchen musste er dafür allerdings aufgeben und den Rest seines Lebens zum Nichtraucher werden…

Die erste Begegnung mit meinem ältesten Sohn – wieder ein paar Jahre später –  hat Herrmann leider nicht so gut überstanden.
Denn dabei büsste er nicht nur den Stil seiner Pfeife undh einen Knopf an seiner grünen Jacke  ein , sondern – was das schlimmste war, auch seinen rechten Arm samt Laterne.
Beides blieb dann auch längere Zeit verschwunden und Herrmann hatte seinen Vitrinenplatz eingebüsst, um in einer dunklen Schublade auf ein Wunder zu warten – denn irgendwie hätte es ja sein können, dass die fehlenden Körperteile sich vielleicht irgendwann mal wieder finden könnten.

Und wirklich: Jahre später, beim nächsten Umzug meiner Eltern, tauchten  Arm und Laterne hinterm Wohnzimmerschrank  wieder auf – allen vergeblichen Suchen und sicher auch mancher Gross-Reinemach-Aktion zum trotz :-)
Und so hat mein Vater Herrmann liebevoll wieder hergerichtet:
Der Knopf wurde durch eine Linse (!) ersetzt, der Pfeifenstil durch einen Zahnstocher und auch der Arm wurde wieder angeklebt – und fortan, da müsste Hermann schon etwa 30 gewesen sein,  wurde er vom Wohnzimmerschrank aus zum stillen Teilhaber  des beschaulichen Rentnerlebens meiner Eltern – sorgsam gehütet vor Kinderhänden, die ihm böses wollen könnten….

Bis vor ein paar Jahren, als meine Eltern ins Altenheim zogen.
Seither ist Herrmann verschunden.
Und ich wüsste gar zu gerne wo er ist, denn irgendwie fehlt er mir auch als warme Erinnerung an vergangene Weihnachtstage.

Denkbar wäre allerdings, das mein Ältester ihn in Obhut genommen hat, denn der hat seinerzeit auch bei der Wohnungsauflösung geholfen und sicher ein besonders Verhältnis zu dem kleinen Räuchermann, seit der ersten – etwas unglücklichen  – Begegnung…
Wenn das so wäre, dann hätte Herrmann es wirklich gut – und alle Chancen, auch noch hundert Jahre alt zu werden.

Wenn nicht, dann wäre es sehr schade.
Schade um ein Stück meiner Kindheit und ein wenig auch um ein Stück Familiengeschichte.

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