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Nachdenken übers Bloggen III

Nachdem ich mich ja schon zu meiner Intention als Betreiber eines Blogs ausgelassen und mich auch mit der möglichen Motivation unserer Besucher beschäftigt habe, will ich jetzt einmal versuchen, mich etwas weiter gefasst mit einigen anderen Aspekten dieses Themas auseinanderzusetzen:

Nennt es meinetwegen Nostalgie, wenn ich dazu erst einmal ein wenig zu den Anfangszeiten dieses Mediums zurück kehre, zu den Vor-Facebook-Zeiten:

Damals waren Blogs eine gute Plattform, im sich via Internet mit anderen Menschen zu vernetzen, Meinungen auszutauschen und per Kommentarfunktion zu kommunizieren.
Etwas langsamer und weniger effektiv als Facebook das heute ist, weil Themen mitunter über mehrere Blogs hinweg diskutiert wurden und man sich dem entsprechend durch verschiedene Seiten klicken musste, um auf dem Laufenden zu bleiben, aber trotzdem durchaus funktional und angenehm in der Handhabung, wenn man das System verinnerlicht hatte.

Logisch, dass diese Art der Vernetzung auch unweigerlich zur Folge hatte, dass  Beziehungsgeflechte  bis hin zu persönlichen Freundschaften zwischen den Bloggern entstanden – man kannte sich und schätzte sich  und hatte feste Anlaufpunkte im Netz, zu denen man immer wieder zurück kehrte.

Bloggersdorf eben.

Dazu gehörten –  auch damals schon  – sicher eine Anzahl Zaungäste und stiller Mitleser, aber ich denke mal, der grössere Teil der Bloggersdorf-Bevölkerung  war selbst mit eigenem Blog  aktiv und bewegte sich in kleineren oder grösseren Freundeskreisen innerhalb des Dorfes, mit fliessenden Grenzen nach aussen hin.
Dabei war die Reichweite des eigenen Blogs neben der Thematik sicherlich auch davon abhängig, wie aktiv man selbst in der Szene war und wo man seine „Duftmarken“ in Form  von Kommentaren hinterliess.
Grosse Blogs mit politischen, Lifestyle- oder Technikthemen hatten viele Leser, auch „Influenzer“ gab es damals schon – und daneben ein Unzahl kleine, eher privat gehaltene Blogs mit geringer Leserzahl – so wie unsere eben auch, deren Zweck  eigentlich „nur“ die Kommunikation in einem kleinen Kreis war.
Dabei dürften einige der Betreiber dieser kleinen Blogs sich – so wie wir – vorher schon in Internetforen bewegt und über die Möglichkeit gefreut haben, der Enge und Reglementierung eines Forums zu entkommen und ohne störende Zwischenrufe irgendwelcher hergelaufenen Admins oder Mods so schreiben zu können, wie es den eigenen Vorstellungen entsprach.
Klar, dass dabei auch Schreibstil und Inhalte so weiter geführt wurden wie vorher schon im Forum –  manchmal auch in Verkennung der Tatsache, sich nun nicht mehr im „geschützten Raum“ des Forums zu bewegen.

Und dann kam Facebook und die Szene veränderte sich, nicht nur in Bloggersdorf.

Auch Internet-Foren haben seither viel von ihrer Attraktivität verloren.
Viele der User nicht themenbezogener Foren sind weitergezogen  zur neuen Plattform, zu Instagramm, WhatsApp und Tumblr – ehemals grosse,  nicht themenbezogene Foren sind nur noch „leere Hallen“ mit vielleicht ein, zwei Postings der Unermüdlichen am Tag, die den Wechsel „verpennt“ haben, während ihre ehemalige Mit-Foristen nun an anderer Stelle das gleiche schreiben wie früher  zu seligen Forumszeiten, nun aber mit Likes satt beipflichtenden oder kritischen Kommentaren, weil das ja so viel einfacher ist als ein paar Worte zu schreiben.

Ein ähnliches Bild also wie hier in Bloggersdorf mit seinen offen gelassenen, verlassenen Blogs.

Vielleicht aber mit  dem Unterschied, dass es hier in Bloggersdorf immer noch eine Reihe von Aktiven gibt, die die Vorzüge des Bloggens zu schätzen wissen – allem voran den freundlicheren Umgang miteinander und die Ruhe, die sich schon dadurch ergibt, dass keine Timeline einen ständig mit neuem Input überschüttet – und sich daraus ergebend auch die Möglichkeit, sich ausgiebiger mit einem Thema beschäftigen zu können, als das auf Facebook möglich wäre, wo alte Postings unauffindbar in den Tiefen des Facebook-Kellers verschwinden und es so fast unmöglich wird, sie später wiederzufinden, geschweige denn aufzugreifen.

Geschätzt werden auch die offeneren Strukturen, die – ohne Zwangsanmeldung wie in Foren oder auch bei Facebook  – die Möglichkeit eines Angebotes bieten, in dem jeder sich frei bewegen kann, ohne später mit massgeschneiderter Werbung zugeschüttet zu werden und ohne Aufzeichnung jeden eigenes Schrittes, wie Facebook das minutiös macht.
(Wer mag, kann sich ja mal den Spass machen, bei Facebook seine Daten abzurufen – da ist wirklich jeder Klick mit Uhrzeit aufgezeichnet, den man auf der Plattform macht und sogar, wo man sich gerade befunden hat, als man diesen Klick gemacht hat. Dazu muss man noch nicht mal etwas schreiben, teilen, liken oder kommentieren. Alleine die Anwesenheit reicht.)

Wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es genau diese offenen Strukturen des Bloggersdorfes auch sind, die Spinnern wie Jupp erst die Möglichkeit eröffnen, so viele Leute über so einen langen Zeitraum hinweg zu terrorisieren. WordPress.com bietet nun mal nicht die Möglichkeit, solche Störer dauerhaft zu blockieren, und selbst gehostete Blogs kann man auch nur mit wirklich viel Hirnschmalz und Hintergrundwissen effektiv schützen, während bei FB zwei Klicks genügen, um den unliebsamen Besuch auf Dauer  fernzuhalten.

Dennoch ist Bloggersdorf nicht die Wüste, als die es nach dem bis jetzt geschriebenen vielleicht erscheinen mag:

Sieht man nämlich genauer hin, ist in dem „alten Gemäuer“ noch viel Leben. Zwischen den verwaisten alten Blogs und langlebigen Blogveteranen finden auch immer wieder die neu aufkeimenden Pflanzen  frisch gestarteter Blogs unterschiedlichster Thematiken. Darunter auch wirkliche Perlen, die das Lesen lohnen und viel Spass machen
Also genug Orte, die anzusteuern lohnt, wenn man sie erst mal gefunden hat.
Auch die alte Kultur des Umgangs miteinander lebt noch weiter –  vielleicht nicht mehr so intensiv wie früher, aber sie ist noch da, zumindest in den Köpfen vieler Autoren.

Dazu habe ich gerade in den letzten Tagen auch in mehreren Blogs thematisch sehr ähnliche Postings gefunden, in denen sich der Wunsch  und das Bestreben manifestiert, zumindest einen Teil der alten Community wieder aufleben zu lassen (Bigis Synchronuniversum) bzw. wieder ein Stück weit mehr zur alten Technik des Kommentierens statt Likens zurück zu finden (Claudias Digital Diary), beides mit erstaunlicher Resonanz – und auch genau dem entsprechend, was ich darüber denke.
Die Kommentare zu beiden Beiträgen jedenfalls lassen deutlich erkennen, dass wir drei wohl nicht die einzigen sind, die aus – nostalgischen ? – Gefühlen heraus gerne mehr des alten Bloggersdorfes zurück hätten.

Dass ich nun auch darüber schreibe ist deshalb beileibe kein „Fishing for Comments“ –  sondern könnte  vielleicht ein weiterer kleiner Anstoss mehr in die Richtung sein, weil es ja auch an uns selbst als Schreibern liegt, wieder mehr Vernetzung herzustellen – u.a. auch dadurch, dass wir uns selbst nicht zu stillen Lesern „fremder“ Blogs degradieren, sondern aktiv auch in Kommentaren schreibend tätig werden, um die dünn gewordenen Fäden der Kommunikation wieder zu stärkeren Bändern zwischen den Blogs werden zu lassen.
Dann klappts vielleicht auch mit der Wiederbelebung der alten Gemeinschaft – oder es entsteht eine ganz neue…..

Ntürlich könnten auch  „stille Leser“ ihren Teil dazu beitragen, dass wieder mehr Leben ins Dorf kommt und die Bloglektüre für sie selbst spannender und interessanter wird.
Sie müssten sich nur trauen, ihren Status als Zaungäste aufzugeben und ihre Chance zu nutzen, durch ihre Kommentare die Blogs ein wenig mitzugestalten, deren Gäste sie sind.
Denn Bloggen ist aus Sicht des Schreibers kein Monolog, sondern lebt vom Dialog mit den Lesern und  den Impulsen, die durch sie  – und gerade auch durch kritische Kommentare  – gesetzt werden.
Insofern ist die Kommentarfunktion auch eine Einladung, sich zu beteiligen … auch ohne eigenen Blog.

Nachdenkenswert in diesem  Zusammenhang  auch ein Zitat von Angelika Wende , dass ich bei Claudia im oben verlinkten Beitrag  gefunden habe:

„Einsam macht
Gedanken und Gefühle nicht teilen zu können.
Einsam macht
Ohne Empfänger zu sein
Der verstehend und inspirierend antwortet.“

Denn dieses Gefühl kennt jeder Blogautor, der nicht nur für sich selbst und seine eigene Eitelkeit schreibt.
Wer das tut, könnte nämlich auch gut ohne Kommentarfunktion auskommen.


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Musik: Schmidbauer, Pollina & Kälberer

Die hundertste Musikvorstellung in diesem Blog  und genau die richtigen Musiker, die die Ehre dieses Ehrenplatzes bekommen:

Werner Schmidbauer, Pippo Pollina und Martin Kälberer mit ihrem Album Süden II, dass nun, Jahre nach einem ersten Album geichen Namens, endlich erschienen ist.
Beides Alben, die sehr von der Zusammenarbeit der drei Liedermacher leben, beide nicht unpolitisch und unkritisch, aber sehr gut zu hören.
So war das erste Süden-Album in den letzten Jahren immer wieder mein Begleiter auf meinen täglichen Wegen im Hamsterrad und gehört wohl mit zu den Alben, die ich am häufigsten wieder hervor geholt habe.
Ob das für das nun heute erschienene neue Album

Süden II

in Zukunft auch so zutrifft, wird sich noch erweisen.

Ein erstes Durchhören verspricht jedenfalls schon mal Einiges an Hörgenuss.
Und sicher wird es wieder mehrere Durchläufe brauchen, bis ich auch zumindest die auf bayrisch gesungenen Lieder verstanden habe und mir ggf. auch die Übersetzungen der italienischen Texte besorgt habe.
Genaues Hinhören lohnt auf jeden Fall – wie schon beim ersten Album.

Deshalb gibt es heute auch Links zu beiden Alben auf Spotify:
Süden I (erschienen 2012)
Süden II (erschienen 2019)


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