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„Stellas Tochter…“

“ …. lebt als Krankenschwester in Israel, ist fast fünfzig, drahtig, angespannt, immer auf der Hut vor lauernden Gefahren, wie ein Reh. Ihre Bewegungen sind fahrig. Als Kettenraucherin ist sie chronisch heiser. Sie lebt von einer Mahlzeit am Tag und Strömen von Kaffee, schläft höchstens vier Stunden pro Nacht und manchmal nur zwei, und sie gibt zu, daß sie eine Perfektionistin ist. Sie wünschte, sie könnte aufhören, nach Vollkommenheit zu streben, und ist sich darüber im klaren, daß sie Stellas schändliche Taten gutzumachen versucht.“

Nach dem unguten Gefühl, das Takis Würgers Buch  über Stella Goldschlag in mir ausgelöst hat, möchte ich mich der Geschichte dieser Frau noch einmal aus einer anderen Perspektive nähern – mit dem Buch, das Peter Wyden über sie geschrieben hat, ein Mitschüler und Zeitgenosse, der damals dabei war. Sein Buch über diese Frau – im Buchhandel schon lange vergriffen, aber noch als E-Book erhältlich – erzählt nämlich, wie es wirklich war und ist damit unzweifelhaft die bessere Wahl, wenn man mehr über

Stella

erfahren will.

Nachdem ich es vor Jahren schon mal gelesen habe, weiss ich , dass Wydens Blick auf seine Mitschülerin ein ganz anderer ist als der, den Würger uns vermitteln will:

Nicht reisserisch und ohne verbrämenden Kitsch, sondern sachlich distanziert und mit spürbarer Symathie, ohne dabei die Fakten und den Schrecken dieser Zeit aus dem Auge zu verlieren.

Der Klappentext:

„Sie war die »Marilyn Monroe unserer Schule«, schreibt Stellas einstiger Mitschüler Peter Wyden im Rückblick auf die gemeinsame Jugend in  Berlin. Alle Jungen sind damals verliebt in sie. Stella Goldschlag ist nicht nur schön, sie ist intelligent, musikalisch, schriftstellerisch und schauspielerisch begabt. Zu einer anderen Zeit, in einem anderen Land, wäre sie wohl eine gefeierte Sängerin oder eine bekannte Journalistin geworden. Vielleicht hätte sie in Hollywood Karriere gemacht. Doch Stella war Jüdin, und sie hatte das Pech, in Deutschland geboren zu sein. Ihre Eltern versäumten es, sich rechtzeitig um die Ausreise zu Verwandten in Amerika  zu bemühen.

Eine Gelegenheit, mit ihrer Lehrerin 1939 nach England zu gehen, vereitelte der Vater, der wollte, daß die Familie zusammenblieb. Eine verhängnisvolle Entscheidung. Bald folgten Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie und schließlich das Dasein im Versteck, als »U-Boot«. Die Katastrophe tritt ein, als Stella verhaftet und von der Gestapo gefoltert wird. Man will von ihr die Adresse eines gesuchten Paßfälschers wissen, die sie aber nicht kennt. Um ihre Eltern vor der Deportation zu bewahren, ist sie bereit, versteckt lebende Juden an die Gestapo zu verraten. Keiner weiß, wie viele durch sie umgekommen sind. Ihre Eltern hat sie nicht retten können. Dennoch hat sie weitergemacht. Hatte sie eine andere Wahl? Nach dem Krieg bringt sie zehn Jahre in eine m Straflager der Russen zu. Danach steht sie nochmals in West-Berlin vor Gericht und wird zu zehn Jahren Haft verurteilt. Stella lebt heute, wieder im Verborgenen, in einer westdeutschen Kleinstadt.

Insofern ist es wirklich schade, dass eine Neuauflage dieses Buches nicht in Sicht ist, die  mehr als nötig wäre, um Würgers Geschreibsel richtig zu stellen.


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