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Ob die das ernst meint?

Klein und unscheinbar geistert heute zwischen der – anlässlich der dramatisch weiter steigenden Coronazahlen – erschreckenden  Hofberichterstattung über den amerikanischen Unabhängikeitstag eine Meldung durch meinen News-Reader, die mir zu denken gibt.

„Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl will über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht debattieren. Die Aussetzung 2011 sei ein „Riesenfehler“ gewesen, sagte die SPD-Politikerin den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“. Eine Wiedereinführung könne auch vor rechtsextremistischen Tendenzen schützen.

Schon vor der Entscheidung zur Aussetzung habe es Befürchtungen gegeben, dass sich Rechtsextremismus in einer Berufsarmee stärker entwickelt als in einer Wehrpflichtarmee. …..“

Wobei der zweite Teil der Aussage sicher richtig ist und sich diese Befürchtung ja auch zwischenzeitlich bestätigt hat.
Inzwischen ist die Bundeswehr ein Sammelbecken rechter Gesinnung geworden, wie auch die aktuellen Schlagzeilen um das KSK belegen. Denn einen besseren und leichteren Weg für junge Nazis scheint es ja nicht zu geben, um legal den Umgang mit Waffen zu lernen und ggf. auch solche samt Munition und anderer Ausrüstung abzuzweigen.

Dennoch halte ich den Gedanken für grundsätzlich  falsch, dagegen mit der Wiedereinführung  einer allgemeinen Wehrpflicht angehen zu wollen:

  • Zum einen, weil Aufrüstung prinzipiell nicht der Weg sein kann und dafür ausgegebenes Geld nicht mehr für friedliche Zwecke zur Verfügung steht,
  • zum zweiten, weil so noch mehr junge Menschen mit rechtsextremen Gedankengut infiziert werden könnten, mit dem sie unter „normalen Umständen“ nicht in Kontakt kommen würden
  • zum dritten, weil es fraglich ist, ob bei einer allgemeinen Verpflichtung Menschen mit rechter Gesinnung vorher ausgefiltert würden
  • zum vierten, weil eine Aufstockung der Armee bei uns sicher auch Konsequenzen für die Balance im West-Ost-Verhältnis hätte und möglicherweise eine neue Rüstungsspirale bedeuten könnte
  • und – nicht zuletzt – auch als jemand, der als Teenager bewusst den Wehrdienst verweigert hat und dafür eine hochnotpeinliche Gewissensprüfung in Kauf nehmen musste.

Viel besser wäre es meine Meinung nach, das „System Bundeswehr“ generell auf den Prüfstand zu stellen, wobei ich prinzipiell kein Problem damit habe, dass unser Land als notwendiges Übel eine kleine Freiwilligen-Armee unterhält, solange diese  hauptsächlich zu humanitären Zwecken eingesetzt wird – also quasi als international tätiges „Technisches Hilfswerk“ bei Katastrophen  oder in medizinischen Notfällen, wozu neben technischen Ressourcen auch eben die Fähigkeit gehört, sich selbst verteidigen zu können.
Aber mehr muss auch nicht sein.
Dazu sollte man sich allerdings auch Gedanken machen, wie man in Zukunft das Bewerbungsverfahren gestaltet.
Nämlich in der Form, dass nicht mehr jeder Bewerber eingestellt wird, der körperlich fit genug ist, sondern das auch von vorneherein darauf geachtet wird, welche politischen und weltanschaulichen Präferenzen die Bewerber haben. Dazu wäre eine Wiedereinführung des „Gewissenes-Tüv’s“ unter veränderten Vorzeichen vielleicht ein guter Weg.
War es früher notwendig zur Verweigerung des Wehrdienstes schriftlich und auch mündlich vor einer – vorgeblich unabhängigen – Kommission beweisen zu müssen, dass man ein Gewissen hat und dieses einen hindert, mit der Waffe in der Hand „seinem Land zu dienen“, sollte  jetzt jeder Bewerber vor einem wirklich unabhängig besetzten Gremium darlegen müssen, warum er „zum Bund will“ und sich im Bewerbungsverfahren eben genau so einer Prüfung unterziehen müssen, damit man alle aussortieren könnte, die extremistische Gedanken oder irgendwie geartete Machtgelüste hegen oder sonst wie nicht vertrauenswürdig wirken.

Viel Aufwand zwar, aber letztendlich vermutlich effektiver als ein Vorgehen nach dem Giesskannenprinzip „Wehrpflicht für alle“, welches nur zur Verdünnung des rechtextremen Gedankengutes in der Bundeswehr führen würde, aber nicht dazu, es aus ihr fern zu halten.

Die beste Lösung  allerdings wäre wohl, die Bundeswehr ganz abzuschaffen – wenn das denn ginge.
Denn gäbe es die nicht, würde es auch keinen braunen Sumpf in ihr geben.

Und ja, ich weiss….. ich bin und bleibe ein Träumer.

In diesem Sinne:
Bleibt friedlich, bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns


Nachtrag, ein paar Stunden später:

Inzwischen rückt das Thema mehr und mehr in den Fokus der Schlagzeilen  und regt sich auch der Widerstand gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht  in fast allen politschen Lagern.
Nur aus einer Ecke gibt es Zustimmung für Frau Högl’s Vorschlag. Natürlich – wen wundert es – von ganz rechts aussen, von der AfD.
Da zeigt sich mal wieder, dass man doch vielleicht das Amt des Wehrbeauftragten mit jemandem hätte besetzen sollen, der sich damit auskennt und wie schnell jemand ins falsche Lager rücken kann, der seine Worte nicht genau abwägt. Obschon ich natürlich ihr Engagement gegen den Rechtsruck der Bundeswehr für  ein durchaus ehrenhaftes Anliegen halte.
Nur bitte nicht so, wie sie es gerade angeht.


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9 Replies to “Ob die das ernst meint?”

    1. Danke für den wunderbaren Ohrwurm , Isa. :-)
      Der ergänzt ganz gut, was ich geschrieben habe.

  1. Komisch, mit Gewissenstüv war man bei den Verweigerern ja wenig zimperlich. Wie Du ja selbst erlebt hast. Aber das waren auch die Zeiten, in denen man mit Radikalenerlass harmlose Postboten verfolgt hat, nur weil sie der DKP nahe standen. Rechts ist man ja schon immer „toleranter“, nicht nur bei der Bundeswehr. Für deren Abschaffung ich sowieso bin.

    1. Und dennoch lebe ich gut damit, damals als „religiöser Spinner“ und „Drückeberger“ abgetan worden zu sein.
      Denn immerhin hat man mir amtlich bescheinigt, ein staatlich geprüftes Gewissen zu haben – im Gegensatz zu denen, die damals in der Kommission sassen oder uns und ein solches Diplom sicher nicht hatten, also durchaus als „Gewissenlos“ bezeichnet werden durften….

      Siehe hierzu auch Wikipedia:

      1981 sprach das Landgericht Limburg einem wegen des folgenden Zitates Angeklagten einen Freispruch aus:

      „Jeder Soldat ist ein berufsmäßig trainierter Mörder, jeder Ausbilder ein Anstifter zu Mordtaten, jeder Luftwaffenpilot ein professioneller Bombenwerfer, jede Armee ist eine Terrorbande.“

  2. Wenn wir aufhalten zu träumen, ist alles verloren. Gerade wenn es schwer ist, an ein friedliches Miteinander auf der Welt zu glauben, gerade dann ist es wichtig den Traum vom Frieden zu pflegen.

  3. Als mein Sohn in der elften Klasse war, also ein Jahr vor dem Abi, gab es in unserem Kinderzimmer eine lebhafte Diskussion. Eigentlich wollten alle den Zivi-Antrag an diesem Tag ausfüllen. Es war die Zeit, als die Neonazis hier aus den Löchern gekrochen kamen und anfingen, schwarzgekleidete Jugendliche „aufzumischen“, alle anders Aussehenden auch, Jugendclubs und Flüchtlingsheime ( in Rostock war nicht das einzige schlimme Ereignis) belagerten. Nein, das alles ist nicht neu.
    Die Jungs im Kinderzimmer stritten sich und ich gebe zu, dass ich das Ohr an der Türe hatte. „Die gehen alle zum Bund (gemeint waren die im Viertel und darüber hinaus bekannten Nazis). Wir können denen doch nicht eine Armee überlassen.“ Sie gingen dann auch zum Bund, alle. Dort argumentierten sie gegen Auslandseinsätze mit dem Ergebnis, dass es Winterbekleidung nur für die gab, die ins Ausland gehen wollten. Ich habe sehr gelitten in dieser Zeit und war froh, als Jans Einsatz als Wettersoldat vorbei war. Es hätte viel schlimmer kommen können.
    Ich weiß nicht, wie es mit dieser Armee weitergehen sollte. Vielleicht muss wirklich ein europäisches Konzept her, vielleicht aber auch was ganz anderes. Ob man ganz darauf verzichten kann, bezweifle ich. Es gibt genug elende Kriegstreiber. Und wir produzieren für die Waffen. Vielleicht sollte man dort anfangen.

  4. Ein verpflichtendes soziales Jahr für junge Leute nach der Schulzeit hätte meiner Meinung nach weitaus mehr Sinn als ein Zurück zum Wehrdienst.

    1. Solange es sich um ein soziales Jahr dreht, bin ich ganz Deiner Meinung.
      Arbeit gäbe es in den verschiedensten Bereichen genug, für die helfende Hände gebraucht werden.
      Und den jungen Leuten würde es vermutlich auch gut tun, damit Erfahrungen in Bereichen machen zu können, in die sie sonst nie hinein guckern würden.

    2. Oder auch ein freiwilliges ökologisches Jahr. Da lernt man sicherlich auch mehr für’s Leben als beim Bund

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