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„Grosse Freude für wenig Geld!“

So lautete  der Werbeslogan damals im Quellekatalog
Und:

„Die Kamera für die Jugend!“

Also genau passend für mich, dachte ich, als ich seinerzeit im Spätsommer vor gut 50 Jahren bei meinem Onkel Kurt auf der Sofakante sitzend mir schon mal ein Geburtstagsgeschenk aussuchen sollte, gerade ziemlich angefixt von den ersten Gehversuchen mit der alten Agfa Click meiner Mutter, die  ich leihweise mit in die Ferien nehmen durfte.

Mein Onkel, auch ziemlich enthusiastischer Hobby-Fotograf mit eigenem Badezimmerlabor, hatte nämlich damals vorgeschlagen, dass ich einen Fotoaparat mitbringen sollte, damit wir in Kassel gemeinsam  auf  Fototouren gehen könnten –  nach Wilhelmshöhe, in  die Karlsaue, in die Stadt….  mit anschliessenden Labor-Sessions im sorgsam verdunkelten Porzellanstudio, um die Bilder zu entwickeln und per Kontaktabzug aufs Papier zu bringen.
Das weckte natürlich Begehrlichkeiten bei mir als damals knapp elfjährigen Knaben.

Eine eigene Kamera sollte es also sein – und, damit ich auch ganz viel knipsen könnte, auch gleich eine Menge Filme dazu.
Über die Folgekosten – wie Entwicklung oder Vergrösserungen habe ich dabei natürlich nicht nachgedacht.
Hauptsache Knipsen können…

Und was hatte ich nicht alles für Motive im Kopf:
Sowohl in Kassel, als  auch zuhause, auf dem Dorf, gab es Unmengen davon…. da würde ich mit zehn Filmen schon eine ganze Menge machen können. 120 Bilder immerhin!
Also habe ich ein grosses Kreuz in den Katalog neben diese Kamera und die Filme gemacht und dann bis Dezember gezittert, ob mein Wunsch wohl in Erfüllung gehen würde…

Um die beinahe unerträglich lange, dreimonatige Wartezeit zu überbrücken habe ich damals angefangen „Fachliteratur“ zu lesen – etwas, dass ich auch heute noch gerne so mache, wenn ich auf was Neues warte – um damit die Vorfreude noch weiter zu erhöhen. Allem voran natürlich den Quellekatalog, der ja das Ziel meiner Begierde enthielt, aber auch das einzige Fotobuch in unserem Haushalt aus dem Besitz meines Vaters, das damals seinen festen Platz unter meinem Kopfkissen hatte.
So war ich also schon genauestens über Begriffe wie Blende, Belichtungszeit und Schärfentiefe (oder Tiefenschärfe??) informiert, als es endlich soweit war und mein Geburtstag näher rückte – und damit tatsächlich auch die mögliche Erfüllung meines grossen Wunsches

Und er ging in Erfüllung :-)

Von meinem Onkel gab es die Kamera, von meinen Grosseltern die Bereitschaftstasche dazu und von meinen Eltern die zehn Filme – jeder liebevoll einzeln eingepackt und mit dem Hinweis, dass ich damit sparsam umgehen solle – also nicht mehr als einen pro Woche verknipsen dürfe. Denn schliesslich müssten ja auch die Entwicklung und die Abzüge bezahlt werden.
Ich gebe zu, ein grosser Wermutstropfen mischte sich da in meine Freude.
Nur ein Film pro Woche – nur 12 Bilder???
Die hatte ich damals in Kassel ja schon ein einer Stunde verknipst…

Enttäuschend dann auch die ersten Ergebnisse:
Sie waren –  ehrlich betrachtet  –  ziemlich mau: Verwackelt, unscharf und unterbelichtet kamen die Abzüge vom Fotografen zurück.
Da hatte also mein „Literaturstudium“ wohl nicht wirklich viel gebracht. …

Das besserte sich aber nach den Weihnachtsferien bei meinem Onkel, der zwischen den Jahren nochmal mit mir losgezogen ist und mir so  viele Tipps mit auf den Weg geben konnte.
Er mit seiner doppeläugigen Rolleiflex 2.8 und ich mit meiner kleinen Junior waren schon ein gutes Gespann –  besonders dann, wenn wir die Kameras getauscht haben und ich mal ein Bild mit der schweren Rollei machen durfte .
Wobei mich  damals sehr gewundert hat, dass seine Bilder mit der kleinen Junior deutlich besser aussahen, als die Bilder die ich vom gleichen Motiv mit der Rollei gemacht habe.
An der Kamera lag es also nicht, das meine Bilder so viel schlechter waren….

Und damit war mein  Ehrgeiz gepackt. Was mein Onkel mit dem kleinen Ding konnte, wollte ich auch – trotz der Begrenzung auf nur zwölf Bilder in der Woche.
Also hab ich seinen Rat beherzigt und mich auf „Trockenübungen“ verlegt – will sagen, bin mit der ungeladenen Kamera losgezogen, um ohne Film unendlich  viele „Probeaufnahmen“ zu machen. Bei jedem möglichen Motiv immer nach dem Motto:

Wo ist der beste Standort?
Was will ich auf dem Bild haben?
Wie weit die Entfernung?
Welche Blende brauche ich und welche Belichtungszeit?  — und natürlich den Merksatz im Kopf :

„Blende acht, die Sonne lacht  :-)

Stunden um Stunden bin ich so durchs Dorf geradelt und hab mir ausgemalt, wie meine Probeschüsse wohl als fertige Bilder aussehen würden.
Und lag dann am nächsten Sonntag endlich ein Film in der Kamera, hab ich lange gezögert, bevor ich das erste mal auf den Auslöser gedrückt habe – mit dem Ergebnis, dass ich manchmal nur mit einem oder zwei Bildern zurück gekommen bin, weil kein Motiv mir gut genug erschien, daran kostbares Filmmaterial zu verschwenden…..
Bis  mein Onkel auf die Idee kam, dass ich ihm ja die belichteten Filme zum entwickeln schicken könne – und ab dem Zeitpunkt wundersamerweise mit meinen entwickelten Bildern zusammen auch immer ein neuer Film zurück kam, den ich nicht bezahlen musste, samt kleinen Anmerkungen zu meinen letzten Bildern, was ich da hätte besser machen können….

Damit begann meine Leidenschaft fürs Bildermachen und der Satz aus der Überschrift wurde wirklich wahr:

„Grosse Freude für wenig Geld!“

Ich hatte wirklich viel Freude mit dem kleinen Ding, das mich die nächsten drei Jahre begleitet hat – bis es zur Konfirmation endlich eine „richtige“ Kleinbildkamera gab und ich dank Foto-AG in der Schule meine Bilder auch selbst entwickeln und vergrössern konnte.
Aber das ist wieder einen andere Geschichte

Allerdings – wenn ich so darüber nachdenke – ist Eines wirklich schade:
Bilder aus der Zeit gibt es  leider keine mehr .
Die hätte ich wirklich gerne nochmal betrachtet, um zu sehen, was ich damals fabriziert habe…. auf Schwarzweissfilm und mit den eingeschränkten Möglichkeiten, die mein erster eigener Fotoapparat mir geboten hat. Schlecht waren die Bilder sicher nicht, wenn auch ganz anders als heute.


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