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Gipfelsplitter VI

Tag eins nach Ende der Veranstaltung, von der Olaf Scholz – unser Bürgermeister – vorher behauptete, es werde Leute geben,

„…..die sich am 9.Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist.“

Und damit lag er ziemlich falsch, wie wir inzwischen wissen.

Denn gleich die erste Meldung in den Radionachrichten auf dem Weg zur Arbeit berichtete davon, dass es erneut Randale in der Schanze gegeben hat – nicht so massiv wie in der vorhergehenden Nacht, aber doch so ernsthaft, dass es wieder zu Tränengas- und Wasserwerfer-Einsätzen gekommen ist.
Wobei nach Einschätzung eines NDR-Reporters auch hier die Polizei wieder sehr früh (und wohl ohne zu dem Zeitpunkt nachvollziehbaren Grund) und ohne vorher auch nur den Versuch einer Deeskalation zu unternehmen, gleich mit schwerem Geschütz anrückte.
Eine anfangs vom Polizeisprecher zur Begründung angeführte erneute Plünderung eines Supermarktes hat es jedenfalls nicht gegeben ( diese Meldung wurde kurz darauf durch den selben Polizeisprecher demeniert.)
Folge war, dass es nun wieder zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Autonomen und der Polizei kam und bei den daraus resultierenden mehrstündigen Scharmützeln erneut einiges zu Bruch ging…..

Also ein erneuter Grund für eine Aufräumaktion in der Schanze, an der sich dieses mal auch meine Liebste beteiligt hat. Ihren Bericht gibts hier zu lesen.

Auf Seiten der Politik herrscht derweilen Katerstimmung, woran auch der Besuch des Bundespräsidenten mit sorgenvollem Gesichtsausdruck und staatstragenden Worten nicht viel ändert.

Zwar wird die Durchführung des Gipfels in Hamburg auch weiterhin verteidigt, aber wenigstens wird zwischenzeitlich zugegeben, dass man eben doch nicht auf alle Eventualitäten vorbereitet war –  und daraus resultierend an einem Konzept gearbeitet, die wirtschaftlichen Schäden an abgebrannten Autos, geplünderten Läden usw. durch eine staatliche Entschädigung schnellstmöglich auszugleichen.

In dem Zusammenhang nehme ich Herrn Scholz sogar seine persönliche Betroffenheit ab, die in aktuellen Interviews deutlich zum Ausdruck kommt.
Was nichts daran ändert, dass er – zu Recht – von allen Seiten unter Druck gerät.
Er war halt wohl doch etwas blauäugig mit seiner Zusage und dem Tage vor dem Gipfel gemachten Vergleich mit einem Hafengeburtstag.
So bleibt nun abzuwarten, was sich daraus weiter entwickelt, denn auch in den Reihen seiner Koalition murrt es zur Zeit gewaltig.

Und nicht zuletzt sinkt gerade auch die Zufriedenheit eines Grossteils der Bevölkerung mit seiner Arbeit ins Bodenlose:So gesehen ist Hamburg also gerade etwas gespalten, denn natürlich gibt hier auch Menschen, die von Anfang an hinter dem Gipfel standen und in der Abwägung „Grundrechte vs. Polizeimethoden“ jetzt schon wieder nach noch härteren Massnahmen rufen.

Da wird dann auch durchaus die Todesstrafe mal wieder ins Gepräch gebracht…..

Soweit wird es  zum Glück nicht kommen – aber es bleibt zu hoffen, dass das Geschehen der letzten Tage nun ernsthaft und im Detail aufgearbeitet wird …  wobei klar ist, dass man die Schuld für alles nicht nur bei den bösen Autonomen suchen darf, sondern auch  genauer bei Politik und Polizeiführung hingucken muss.
(Lesenswert in dem Zusammenhang auch ein Artikel der Leipziger Internetzeitung, der die provokante Frage aufwirft, ob die Bürgerkriegsbilder aus Hamburg möglicherweise politisch erwünscht waren…….)

Und wo wir gerade dabei sind, Rückschau zu halten, möchte ich hier gerne noch einen Text mit einbringen, den ich heute auf Facebook gefunden habe – ausnahmsweise mal im Vollzitat:

„So, Trump ist weg, der Rest nach und nach auch. Und was bleibt?

1. Eine uninspirierte Schlusserklärung, die allen recht gibt, die im Vorfeld nach dem Sinn einer solchen Veranstaltung gefragt haben.

2. Die gleichen weltweiten ungelösten Fragen (Klima, Handel, Turbokapitalismus etc.), zu denen es auch diesmal keine zufriedenstellenden Antworten gab. Stattdessen 20x gedrechselte Presseerklärungen, die versuchen „Nix“ als Granatenerfolg zu feiern.

3. Ein Hamburger Bürgermeister und bis vor zwei Tagen Hoffnungsträger der SPD, der feststellen musste, das Naivität beim Organisieren eines solchen Gipfels ein ganz schlechter Ratgeber ist. Und der nun hoffen muss, das ihm die Hamburger das bis zum nächsten Gang in die Wahlkabine verzeihen.

4. Eine linke „Elite“ von Autonomenbewegung bis Politik (Hallo, Frau Kipping), die durch strammen Gegenwind in den sozialen Medien merken, das angesichts purer Zerstörungswut ein Relativieren des schwarzen Mobs und die Romantizierung „linker Gewalt“ gegen den vermeintlich bösen Staat nicht funktioniert. Windelweiche bis schlicht anfeuernde Statements (mein Sieger in der Geschmacklosigkeits-Top 10: Jakob Augstein) haben in den letzten beiden Tagen nur deutlich gemacht, warum Mutti uns wohl mangels linker Alternative weitere 4 Jahre erhalten bleiben wird.

5. Eine abenteuerlich bis groteske Diskussion über 1000 schwarzgekleidete Vollpfosten und die Frage, ob die jetzt wohl schlimmer seien, als die braunen Schergen von rechts. Diese Diskussion scheitert allein schon daran, das diese 1000 Leute keinerlei politische Motivation haben. Die nutzten mit Vorankündigung den Gipfel nur als Plattform, um ihre hirnentleerte Zerstörungswut und ihren Hass auf was weiß ich was auszuleben. Ich behaupte mal, das keine 10% von denen auch nur die 20 Staatschefs vom Gipfel namentlich hätten nennen können. Wer glaubt, das die aus Sorge um die Welt randalieren, der glaubt auch, das Fußball-Hooligans ihren Verein lieben…Und deshalb ist eine Diskussion um ihre politische Bedeutung und die Forderung, jeder Linke habe sich von denen politisch zu distanzieren, völliger Unfug. Das wertet die doch nur auf. Für Rechtsbruch gibt es keine Rechtfertigung und keine politische Distanzierungsnotwendigkeit. Sondern das Strafgesetzbuch zur Aburteilung.

6. Drei Tage intensive kreisende Erregung in den Netzen, ganz viel Emotion und oft gefühlt zu früh den Post rausgehauen, statt noch einmal nachzudenken. Entfreundungen, Wut, Entschuldigungen….Nur: das alles entzündete sich an den Handlungen ein paar weniger mit ausgeprägtem Zerstörungswillen im geistigen Sinkflug. Die Anliegen der vielen anderen in HH? Untergegangen! Nicht mehr diskutiert. Das ist schade für den friedlichen Protest. Und schade für die Welt. Denn deren Fazit wird auch nach diesem Gipfel lauten: „Wir müssen reden!“ Und genau das ist dank Naivität in der Vorbereitung, gepaart mit krimineller Lust einiger weniger in den letzten Tagen schwerer geworden. Schade eigentlich!!“
(C)Hubertus von Lobenstein

Ein gute Zusammenfassung, wie ich finde und eine gute Schlussfolgerung.

Und noch eine Zusammenfassung, die ich hier nicht unerwähnt lassen möchte – ein sehr langer Text von La Vie Vagabonde, der bei aller Sachlichkeit auch viele Emotionen ausdückt, de ich ganz ähnlich empfunden habe:

#G20HH2017 – Willkommen in der Hölle

Und damit soll es das von meiner Seite aus erst mal gewesen sein mit den „Gipfelsplittern“ – Fortsetzung allerdings nicht ausgeschlossen, wenn sich diesbezüglich noch etwas ergibt.

Wobei mir noch die Anmerkung erlaubt sei, dass ich mir erspare, nun auch noch etwas zum weltpolitischen Beiwerk der letzten Tage zu schreiben.
Viel herausgekommen ist dabei wohl ohnehin nicht, auch wenn unser Bundespräsident und die Kanzlerin sich sehr bemühen, den Anlass für die letzten Hamburger Chaostage als  grossen Erfolg zu deklarieren.
Wir wissen wohl alle, dass das nichts als „Pfeifen im dunklen Keller“ ist…..

Wenden wir uns also zunächst einmal wieder erfreulicheren Dingen zu, denn schliesslich will auch der Urlaub geplant sein, den ich jetzt habe.

Wir lesen uns :-)

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