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Unverdaulich

Jeder Leser dieses Blogs weiss, dass ich Krankenpfleger bin, gerne und mit Leib und Seele. Ich arbeite auch nach vierzig Jahren noch  in dem Beruf, den ich mir  als junger Mann ausgesucht habe und empfinde ihn nicht als Belastung, sondern als Berufung.

Noch dazu habe ich das Glück, in einer Firma zu arbeiten, in der meine Arbeit geschätzt und auch wertgeschätzt wird, bin an Entscheidungen beteiligt und habe Kollegen, auf die ich mich verlassen kann, mit denen ich mich wohl fühle.
Wir alle zusammen sind ein wirklich gutes Team und leisten gute und uns befriedigende Arbeit.

Meisstens jedenfalls.

Wir versorgen täglich zusammen gut dreihundert Kunden in über 700 Einsätzen, kümmern uns um grosse und kleine Sorgen und passen auch aufeinander auf.

Dreiundsechzig von uns arbeiten täglich direkt am Kunden, die Arbeit ruht also auf vielen Schultern, von denen jede einzelne wichtig ist. Dabei ist es völlig normal, dass manche dieser Schultern ausländische Wurzeln haben.
Sechzehn der dreiundsechzig, um genau zu sein.
So zählen polnisch, russisch, italienisch, kroatisch, marokkanisch, libanesisch, syrisch  und türkisch zu den Muttersprachen , die bei uns vertreten sind.
Multikulti ist also Alltag und auch kein Problem bei Verständigung und Zusmmenarbeit.
Im Gegenteil macht diese Buntheit auch viel von dem aus, was meine Arbeit prägt, sie schafft eine Vielseitigkeit, die Spass macht und in der Breite der gemeinsamen Erfahrungen ein Klima für viele – manchmal auch ungewöhnliche – Lösungen schafft, was ich sehr schätze.

Natürlich brauchen wir auch immer Verstärkung (Stichwort  Pflegenotstand) und versuchen deshalb, Alten- und Krankepflegeschüler für unsere Firma zu begeistern, die ihre Ausbildungspraktika bei uns machen.
Wie auch L, die in etwa vier Wochen ihr Examen in der Tasche gehabt hätte und insgesamt vier Monate in den letzen zwei Jahren als Praktikantin bei uns war.
Eine richtig gute, wie ich weiss, denn auch ich hatte das Vergügen, mit ihr zusammen auf Tour zu gehen.
So hatte sie den Vorvertrag schon seit einigen Wochen in der Tasche und hätte am 1. Novmber anfangen können. Wenn sie nicht aus dem Kossovo stammen würde.
Denn der wurde ja vor einiger Zeit von unserer Obrigkeit zum „sicheren Herkunftsland“ erklärt.
Womit auch die Duldung hinfällig war, mit der sie schon seit  über 18 Jahren hier in Hamburg lebt.  Nun muss sie sie innerhalb weniger Tage ausreisen, um einer Abschiebung zuvor zu kommen.
Mit der Konsequenz, dass sie natürlich auch nicht zum Examen antreten kann, auf dass sie drei Jahre hin gearbeitet hat.
Also wird sie wohl nicht Altenpflegerin werden können, jedenfalls nicht hier in Deutschland.
Und auch aus der Anstellung wird wohl nichts, obwohl mein Chef die Einstellungzusage sofort verlängert hat, als L. heute in die Firma kam, um sich zu verabschieden. Da wird wohl auch der Anwalt nichts mehr retten können, den die Firma nun bezahlt, um vielleicht doch noch eine Verlängerung der Duldung zu erreichen.

Schade.

Denn wir alle hatten uns gefreut, dass L. bei uns anfangen würde.
Als eine Schulter mehr, auf der die viele Arbeit ruhen kann, als Kollegin, die gut zu uns passt und als liebenswerter Mensch, der unser Team bereichert hätte.

So war die Stimmung dann auch sehr gedrückt, als wir davon erfahren haben, und nicht nur mich hat diese Nachricht sehr betroffen gemacht.

Und dann mache ich – zuhause angekommen –  FaceBook auf und lese von einer ehemals guten Bekannten, fast einer Freundin, wie sie da rumstänkert, weil „Die Ausländer ja…“(den Rest überlasse ich eurer Phantasie – aber es war genau das, was ihr jetzt denkt!)

Mir kocht gerade die Galle…

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