Es mag vielleicht auch ein Zeichen des Alterns sein, dass ich gedanklich in den letzten Wochen öfter mal in die Vergangenheit abschweife.
Manchmal auch ausgelöst durch einen Geschmack, einen Geruch oder ein Bild, dass mir gerade vor Augen steht.
Wie beispielweise dieses hier, aufgenommen vor einigen Tagen bei unserem Ausflug in die Vier-und-Marschlande und plötzlich Bedeutung bekommend, als ich es auf Schwarzweiss umgearbeitet habe:Das Motiv – die Scheune – erscheint mir plötzlich wie ein Déjà-vu, erinnernd an eine Szene aus meiner Kindheit, als ich eine Zeit bei meinen Grosseltern in Kassel gelebt habe und häufig mit meinem Grossvater unterwegs war, um all die guten Sachen zu kaufen, die in den nächsten Tagen auf den Tisch kommen sollten.
Meine Grosseltern waren diesbezüglich durchaus modern – gemessen an den heutigen Massstäben – , denn eingekauft wurde nur regional, saisonal und aus nachhaltiger Landwirtschaft – und Opa legte grossen Wert darauf, die Erzeuger der Lebensmittel persönlich zu kennen.
Gemüse, soweit es nicht selbst angebaut wurde, gab es vom Markt, die Kartoffeln lieferte immer derselbe Bauer, Eier wurden beim Nachbarn geholt, der in seinem Garten zwei dutzend Hühner hielt, und Fleisch gabs entweder von einem Schlachter, der noch selbst jeden Morgen an der Schlachtbank stand – oder (Dauerwurstwaren, Wurstkonserven und Schmalz) aus Hausschlachtung von einem befreundeten Bauern aus dem Fuldatal.
Was immer eine Expedition mit Rucksack und Bollerwagen nach sich zog, wenn die Ahle Wurst mal wieder alle war oder das Kind (ich) nach Gänseschmalz oder Weckewerk* verlangte. Denn schliesslich musste sich der Weg nach Ihringshausen lohnen – hin und zurück gute 15 Kilometer, die natürlich zu Fuss zurück gelegt wurden.
Beim Bauern angekommen gabs dann für mich Kakao und für Opa einen Schnaps und eine Zigarre und natürlich ein Schwätzchen dazu, bevor wir uns vollbeladen auf den Rückweg machten, um rechtzeitig zum Abendbrot (pünktlich um 18:00!) wieder in Kassel anzukommen.
Ich brauche sicher nicht zu erwähnen, dass dieses dann immer in eine Schlemmerei ausartete, denn schliesslich musste ja alles probiert werden, was wir gerade mitgebracht hatten:
Frisches Brot mit Gänseschmalz, dazu Ahle-Wurst-Scheiben von Opas Messerspitze und Tee aus unterwegs gesammelter frischer Minze.
Alles Dinge, die ich heute noch mag…..
Und vielleicht ahnt ihr jetzt auch, wieso ich bei dem Scheunenbild darauf gekommen bin?
Die Scheune von Bauer Mälzer sah auf dem Schwarzweissbild plötzlich ähnlich aus wie die Scheune neulich in den Vier-und-Marschlanden – verwittert, schief und krumm, mit Strohdach und fast dem gleichen grossen Tor mit den rautenförmigen Fenstern.
Auch den Misthaufen gab es und Schweine im Gatter neben der Scheune…
*)Weckewerk. Ein ähnliches Gericht wie der von mir so geliebte Wurstebrei.
Wurde in Hessen aber mit Brötchen zubereitet und nicht mit Graupen wie in Westfalen.
Bauer Mälzer verkaufte es immer eingekocht in Weckgläser, die wieder mitgebracht werden mussten, wenn man neues haben wollte.
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