.

Gestern….

…. kam die Nachricht, dass meine Mutter nach langer Krankheit ganz in Frieden diese Welt verlassen durfte.

92 Jahre alt ist sie geworden, von denen sie die letzten nur noch in ihrer eigenen Welt verbracht hat – zurückgekehrt in die glückliche Zeit ihrer Kindheit in Pommern, noch ohne Krieg, Flucht, Vertreibung und ohne alle die schlimmen Erfahrungen, die damit verbunden waren.
Dieser Prozess der  Rückkehr begann schon vor vielen Jahren, lange vor dem Tod meines Vaters, begleitet immer wieder von Phasen tiefer Depressionen, Rückzügen und der zeitweiligen totalen Unfähigkeit, sich selbst versorgen zu können, so dass sie die letzten zehn Jahre auch nicht mehr alleine leben konnte.Mich, der ich nur sehr selten in Bielefeld war, hat sie schon damals kaum noch erkannt, meine Brüder, die nahe bei ihr wohnten, in den letzten Jahren wohl auch nicht mehr, wie mein jüngerer Bruder gestern berichtete. Kaum eine Reaktion auf Besuche habe es in den letzten Monaten noch gegeben, sie sei verstummt gewesen in den letzten zwei Jahren….

Das Abschiednehmen hat für mich schon damals begonnen, eigentlich  sogar schon in der Zeit, als ich selbst tief in meiner eigenen Depression steckte und es deswegen zur Trennung von meiner ersten Frau und einem Bruch mit meiner Familie kam –  an dessen Folgen ich heute noch herum knabbere.
Der Tod meines Vaters tat dann noch ein Übriges, um die letzte Brücke zu meiner Mutter abbrechen zu lassen…… gesehen habe ich sie das letzte mal vor neun Jahren bei seiner Beerdigung, als sie schon nicht mehr wirklich begreifen konnte, was da geschehen war. Ich habe zwar Anfangs noch ein, zwei mal  versucht, mit ihr zu telefonieren, bin aber jedes mal daran gescheitert, dass sie mich für einen Fremden hielt und nicht wusste, wer ich bin.

Danach war Sprachlosigkeit.

Dazu kam noch weiterer Wiggel – Unterhalts- und Sorgerechtsstreitigkeiten mit meiner Ex liessen den Riss zwischen meiner Familie und mir immer tiefer werden, so dass ich eine Zeitlang nicht mal mehr Kontakt zu meinen Kindern hatte, geschweige denn zu meinen Brüdern.

Deshalb bin ich seither nicht mehr in Bielefeld gewesen und werde auch nicht zur Beerdigung dort hin fahren, selbst wenn der Kontakt zu meinen jüngeren Kindern inzwischen wieder da ist und immer besser wird. Aber es bleibt halt trotzdem schwierig, zumal mein älterer Bruder sehr nachtragend ist .
Darüber haben mein jüngerer Bruder und ich gestern lange gesprochen, und sind zu der Überlegung gekommen, dass ich erst nach der Beerdigung zum Abschied nehmen kommen werde, verbunden mit einem gemeinsamen Essen oder Kaffeetrinken, um wieder besser ins Gespräch miteinander zu kommen.

Traurig bin ich deswegen über den Tod meiner Mutter nicht.
Nur nachdenklich.
Und ich hoffe, es wird alles gut werden auf ihrer letzten Reise.

..