.

Was für ein Affentheater

…. könnte man meinen, wenn man verfolgt, was sich um die Ereignisse in Erfurt herum so tut. Wobei sich natürlich (logischerweise?) die zwei Parteien besonders hervortun, die in den aktuellen Blitzumfragen im Expresstempo Stimmenanteile verlieren – allen Beteuerungen der jeweiligen Vorsitzenden zum Trotz:

Wenn der Thüringer Landtag jetzt neu gewählt würde, könnten die Parteien demnach mit folgendem Ergebnis rechnen:

  • CDU/CSU zwölf Prozent (Landtagswahl Oktober 2019: 21,7 Prozent),
  • SPD neun Prozent (8,2 Prozent),
  • FDP vier Prozent (5,0 Prozent),
  • Grüne sieben Prozent (5,2 Prozent),
  • Linke 37 Prozent (31,0 Prozent),
  • AfD 24 Prozent (23,4 Prozent).

Ob es da hilfreich ist, dass sowohl der zukünftige Ex-Ministerpresident Kemmerich als auch der CDU-Chef Mohring an ihren Sesseln kleben? Der eine, weil er noch wichtige Entscheidungen als einziges (!)Regierungsmitglied treffen muss. und der andere, der noch bis Mai aushalten will (warum eigentlich?) statt sofort den Hut zu nehmen.
Dass ihre „Chefs“ derweilen in Berlin den schwarzen Peter weiterschieben wollen, bzw. den Zerknirschten geben, um die eigene Haut zu retten, macht die Sache auch nicht besser.
Wobei wohl zu vermuten steht, dass es dabei auch weiterhin (vor allem?)  darum geht, eine weitere Amtszeit des Herrn Ramelow zu verhindern.

Kein Wunder, dass sich die Wähler da vera…ht vorkommen.
Zumal es nun doch die Chance gäbe, in Thüringen mit Neuwahlen für stabile Mehrheitsverhältnisse im Parlament zu sorgen.
Immerhin gäbe es (Stand heute) eine satte Mehrheit für rot-rot-grün…. und zugleich die Chance, der AfD damit zu zeigen, dass ihre Winkelzüge keinen Erfolg haben.


1304

Was das wohl noch gibt?

Nun ist er nach nur einem Tag (!) Amtszeit bald der gewesene Ministerpräsident, der Herr Kemmerich.
Das war ja ein kurzes Vergnügen für die FDP – aber hoffentlich ein nachhaltiges, auf dass diese unnütze „Partei“ bald in der vollkommenen Versenkung verschwindet.
Dann hat endlich mal dieses „Zünglein an der Waage“-spielen-wollen auch ein Ende, mit dem die sich schon seit Jahren hervor tun wollen, aber eine Regierungsbildung  nach der anderen an die Wand fahren.
Zuletzt nach der letzten Bundestagswahl, als sie erst wollten und dann doch wieder nicht – mit dem Ergebnis, dass wir weiter mit dieser unmöglichen Groko leben müssen, die unser Land mehr lähmt, als das es irgendwie vorwärts ginge.Schon damals hat Herr Lindner sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert – und wenn das stimmt, dass er vor der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen gewusst hat, was da passieren wird ( die Kandidatur von Kemmerich), dann diesmal noch viel weniger. Da hilft auch alles zurückrudern nicht – auch wenn er in dieser Disziplin das Zeug zum Weltmeister hätte.
Bleibt also abzuwarten, ob er die Vertrauensfrage gewinnt, die er morgen zu stellen gedenkt.

Abzuwarten bleibt nun auch, wie die sich jetzt anbahnende Kungelei in Thüringen weiter geht, zumal wohl inzwischen alle „etablierten“ Parteien Angst vor einen Neuwahl haben dürften, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die AfD noch weiter stärken würde – solange es nicht ein klares Bündnis gegen Rechts gibt, in das auch die Linke intergriert ist.
Denn leider steht zu befürchten, dass die Damen und Herren Politiker der Thüringer CDUaus dem Debakel nichts gelernt haben,   welches sie zusammen mit der FDP gestern angerichtet haben. Die würden sowas wahrscheinlich glatt noch mal wieder machen – Hauptsache, die Linke kommt nicht wieder ans Ruder.
Dafür ist die vorgeblich Christliche dort sogar bereit,  nun zusammen mit der AfD(!!!) Neuwahlen zu blockieren.

Klar ist also nur, wer nun den Schaden hat: die Thüringer Bürger, die in einem Land leben müssen, das immer unregierbarer wird.


1301

…. und noch mehr Hals

Das musste ja so kommen bei dem Ränkespielen , wie es in Thüringen seit der Landtagswahl vor knapp vier Monaten vor allem von CDU und FDP gespielt wurden.
Mit der stimmenstärksten Partei – der Linken  – wollten sie nicht in eine Koalition – und nun ist dabei genau das heraus gekommen, was es immer zu vermeiden galt.
Ein Ministerpräsident, der von der kleinsten Partei im Landtag  – der FDP – erst im dritten Wahlgang zur Wahl aufgestellt wurde und nun  – auch und vor allem – mit den Stimmen der Kackblauen gewählt wurde. Mit einer Stimme mehr als der alte Amtsinhaber Ramelow.

Wir erinnern uns… sowas gabs doch schon mal in Deutschland, als 1932 die schwache Regierung der Kanzlers Franz von Papen zum Steigbügelhalter der Hitlerdiktatur wurde, auch weil die anderen demokratischen Parteien im Land sich nicht auf ein Bündnis gegen Hitler einigen wollten – allen Mahnungen zum trotz:
Man sieht also mal wieder, Geschichte wiederholt sich..
Erst im kleinen in Thüringen, wo der neue Ministerpräsident Kemmerich nun auf Gedeih und Verderb auf die AfD angewiesen sein wird…. allen Beteuerungen zum Trotz „niemals mit diesen Leuten“ zusammenarbeiten zu wollen…..
Und dann?

Besser wäre es wohl gewesen, wenn die FDP nicht in den Landtag gekommen wäre. Denn brauchen tut die niemand – ausser der AfD, wie man jetzt sieht.

Mein Respekt jedenfalls gilt Herrn Ramelow und seiner Landesvorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow, die immerhin den Schneid aufbrachte, dem Neu-Ministerpräsidenten die Blumen vor die Füsse zu werfen.

Herr Kemmerich hingegen wird wohl als peinliche Gestalt ins Buch der Geschichte eingehen – aber leid tut er mir deswegen nicht. Denn er wusste vorher, auf welches Spiel mit dem Feuer er sich einlassen würde, wenn er sich zu Wahl aufstellen liesse.
Auch wenn seine erste Reaktion wohl  eher ungläubig war:

Huch, ich habe gewonnen!“

Typisch übrigens auch in diesem Zusammenhang, dass sein Chef, der Herr Lindner als Erster schon kurz nach der Wahl etwas  von „Neuwahlen“ gefaselt hat
Bei der die FDP dann hoffentlich wieder aus dem Landtag fliegen würde…..
Denn die….. (aber das schrieb ich schon)

-_-_-_-

Nachtrag:

Sehr lesenswert zwei Artikel der Zeit, die das Thema ausführlich beleuchten.

Artikel 1 Artikel 2


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Gerade mal ein Menschenalter

Auf den Tag genau 75 Jahre – so lange ist es her, dass die russische Armee an diesem Ort die wenigen übrig gebliebenen Menschen befreit hat, einem Ort, den auch wir  im letzten Jahr besucht haben:
Auschwitz-Birkenau – einer der schrecklichsten Orte, die ich mir auf dieser Welt vorstellen kann:Ein Ort der Vernichtung, der auch heute noch nichts von seinen Schrecken verloren hat.
Ein Ort der Perversion und der Unmenschlichkeit.Ein Ort des Verbrechens, der auch heute noch Zeugnis ablegt von der Perfidität, zu der Menschen fähig sind.
Ein Ort, der als Mahnmal erhalten bleiben muss, um für alle Zeit daran zu erinnern, das so etwas nie wieder geschehen darf.

Mehr muss man dazu nicht schreiben.
Oder doch?

Ja, man muss mehr schreiben, angesichts dessen, was sich wieder in unser Mitte breit macht.
Man muss daran erinnern, was damals passiert ist und dafür sorgen, dass es nie wieder passieren kann. Auch wenn es in Auschwitz heute  so zugeht wie in jeder x-beliebigen Touristen-Attraktion und viele Menschen wohl nur um der Sensation willen diesen Ort besuchen, der sich im Sonnenschein teils ganz malerisch präsentiert So wie bei unserem Besuch, bei dem wir auch beobachten konnten, dass viele Menschen sich nicht scheuen, Selfies vor der Exekutionswand oder auf der berühmten Rampe zu machen, von der aus es für viele namenlose Menschen direkt in die Gaskammer ging.
Denn lange nicht alle Häftlinge wurden so ausführlich „dokumentiert“, wie die Karteikarten und die Fotos oben (aus dem Hauptlager Auschwitz)  glauben machen wollen,  im Gegenteil. Für die überwiegende oft namenlose Mehrheit endete die Fahrt in Birkenau und führt dort von der Rampe direkt in den Tod. Übrig blieben von Ihnen nur ein paar Habseligkeiten und Zahlen in einem Buch, die Aufschluss darüber geben sollten, wie weit das Werk der Vernichtung Fortschritte machte….

Pervers.
Sowohl das, was damals passiert ist – als auch, wie respektlos  Menschen sich heute wieder an diesem Ort  verhalten

Ist er doch Teil unserer aller Geschichte, auch wenn die meisten von uns viel zu jung sind, um die Zeit mitgemacht zu haben.
Einer Geschichte, die uns die Verantwortung auferlegt, das Gedenken an die Geschehnisse von damals und an die vielen Menschen wach zu halten, die infolge des Wahnes einiger weniger zu Grunde gehen mussten.

Nicht nur an Jahrestagen wie diesen, sondern immer.


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Wie man ein Schiff kauft

Rechts in der Seitenleiste unserer Blogs prangt schon seit langer Zeit dieses Logo, dass an Bedeutung nicht verloren hat, auch wenn es so scheint als ob es still geworden sei um das Thema, mit dem es zusammen hängt: Doch dem ist nicht so,  noch immer sterben im Mittelmeer Menschen, die sich auf die Flucht gemacht haben vor den Umständen in ihrer Heimat in Afrika. Auch, weil die Politik der Europäischen Union so will, weil immer noch Rettungsschiffe an die Kette gelegt oder gehindert werden, die Menschen an Land zu bringen. Nur davon bekommen wir hier im reichen und satten Deutschland wenig mit, es ist kein Thema mehr, seit die Flüchtlingsströme uns nicht mehr erreichen und die wenigen, die den Weg übers Meer noch schaffen in Griechenland ( auf Lesbos), in Italien ( auf Lampedusa und Sizilien), oder auf Malta interniert werden.

Um so wichtiger, dass dieses Thema immer wieder angesprochen wird und es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen und der wild gewordenen Politik die Stirn bieten.
Wobei die Kapitänin Rackete nur ein Beispiel ist, eine von vielen, die sich auf den Weg machen, um  da zu helfen wo es nötig ist. Aber das kann nur klappen, wenn auch die Schiffe zur Verfügung stehen, die dafür gebraucht werden und auch die Ausrüstung und der Sprit, um sie in Betrieb zu halten. Alte Seelenverkäufer meisst, wie wir neulich in Harburg gesehen haben, klein und wenig geeignet, hunderte von Menschen zu tragen. Denn dort liegt die Sea Eye, inzwischen wohl ausgemustert, während die Alan Kurdi  und andere – viel zu wenige – private Schiffe weiter im Mittelmeer  unterwegs sind, um Flüchtlingsboote zu finden und Menschen zu retten – immer wieder auch behindert durch die Politik, die jegliche Unterstützung verweigert, ja sogar weiterhin die Arbeit der Retter blockiert.

Also fragt sich, was können wir tun, die wir nicht  in der Lage sind, mit aufs Meer zu fahren und zu helfen?
Auf Demos gehen und moralisch unterstützen sowieso – das ist keine Frage.
Und sonst?
Geld geben, um ein neues Schiff zu kaufen und auszurüsten – dieses zum Beispiel, das ehemalige Forschungsschiff Poseidon:Eine Million soll es kosten!

Dafür wird gerade gesammelt, diesmal sogar mit breiter Unterstützung z.b. durch andere private Organisationen und unter  Beteiligung der Kirchen. Aber es fehlt halt immer noch Geld, um den Betrag bis Ende Januar zusammen zu bekommen.
Logisch also, dass auch wir einen kleinen Teil dazu beitragen werden, nicht nur  mit einer einmaligen Spende, sondern als Fördermitglieder über das Jahr hinweg, denn mit dem Kauf alleine ist es ja nicht getan.
Wenigstens das können wir tun, ausser auf Demos zu gehen…..
Und ich bin sicher, mancher von Euch kann das auch – jeder Euro hilft!


1222

… sind einfach sonderbar

Als ich vorhin gelesen habe, das heute „internationaler Männertag“ ist, fiel mir als erstes ein Songtext* meines Geschlechtsgenossen Herbert ein, der sich selbst und damit wohl  allen „Zipfelträgern“ ein liebevoll-ironisches Denkmal gesetzt hat. Gipfelnd in dem einen Satz, dessen Ende ich als Überschrift für diesen Beitrag gewählt habe.
Wobei er sich da keinesfalls sicher zu sein scheint, denn immerhin endet das Lied auch in einer Frage:

„Wann ist ein Mann ein Mann?“

Eine Frage, die wohl hin und wieder mal jeden von uns „Kerlen“bewegt.
Denn schliesslich sind wir Nur Männer!
Der Teil der Menschheit also , dem aus bestimmten Ecken auch immer wieder unterstellt wird, über sich selbst und sein Verhalten nicht richtig reflektieren zu können und zur Selbstüberschätzung zu neigen. Was aber so auch nicht unbedingt stimmen muss:

Alleine aus musikalischer Sicht  betrachtet gibt es da aus männlichem Betrachtungswinkel  eine weit gespreizte Reihe von Ansichten, die diese Frage beleuchten, aber trotzdem sicher keine allgemein gültige  Sichtweise vertreten- angefangen mit der schlichten Feststellung „Männer sind Schweine*“ bis hin zum Lebensrezept für Softies** „Nicht mehr Siegen*“ .
Wobei natürlich auch die nicht ganz so guten Eigenschaften meines Geschlechts nicht zu kurz kommen –  wie beispielhaft im Titel „Kranke Männer*“ besungen – oder  unsere Liebe zu skurrilen Hobbies: „Männer im Baumarkt*“ ….  und ich zwei schmuddelige Ecken bewusst ausspare, die leider nicht auszumerzen sind und immer noch die Selbststicht gewisser ewig-gestriger Kreise besingen  oders sich gar als  Anhänger des „gepflegten Herrenwitzes“ – also tendenziell sexistisch – outen.

Denn wir männlichen Erdenbewohner unterscheiden uns ansonsten sicher nicht all zu  viel von der anderen Hälfte der Menschheit, die auch so ihre „geschlechtsspezifischen“ Macken hat. Doch diese Unterschiede verwischen zusehends – und das ist gut so.
Die Menschheit braucht weder ein Patriarchart noch ein Matriarchat, sondern gleichberechtigte Menschen ohne Vormachtstellungen alleine aufgrund des Geschlechtes.

Insofern habe ich mich vorhin auch gefragt, welchen Sinn eigentlich der „internationale Männertag“ haben soll, der jedes Jahr am 19. November (also heute!) begangen wird und in dessen Agenda aus meiner Sicht teils recht krude Forderungen stehen  – zumindest betrachtet aus dem Blickwinkel  der Ecke der Welt, in der wir leben:

  • Fördern von männlichen Vorbildern; nicht nur Filmstars und Sportler, sondern auch normale Arbeiter, die ein anständiges, ehrliches Leben führen**

  • Feiern des positiven Beitrags der Männer in den Bereichen Gesellschaft, Gemeinde, Familie, Ehe, Kinderbetreuung und Umwelt.

  • Fokussieren auf Männergesundheit und Wohlbefinden in sozialer, emotionaler, physischer und spiritueller Hinsicht.

  • Hervorheben von Diskriminierung gegen Männer in den Bereichen Sozialleistung, soziale Einstellung und Erwartungen sowie Recht.

  • Schaffung einer sichereren, besseren Welt, in der Männer sicher sind und ihr ganzes Potential erreichen können.

Diese könnte ich eigentlich nur unterschreiben, wenn das Wort „Männer“ durch „Menschen“ ersetzt wird. Ansonsten sind sie meiner Meinung nach  eher Anachronismen, die den einzigen Satz der Agenda negieren, der wirklich Sinn macht:

  • Verbessern des Geschlechterverhältnisses und Fördern von Gleichberechtigung

So gesehen also kein Grund zum Feiern, dieser internationale Männertag, dessen Forderungen eher klingen, als seien sie beleidigt aus feministischen Konzepten übernommen und umgeschrieben worden –  selbst, wenn es ganz kleine Teilbereiche geben mag, in denen wir Männer auch Nachteile erfahren – z.B. bei Entscheidungen in Sorgerechtsverfahren  oder was körperlich schwere Arbeiten angeht
Was aber dennoch kein Grund ist, die beleidigte Leberwurst zu spielen – zumindest nicht hier in unserem Land – haben die Frauen doch geschlechtsspezifisch ganz andere Nachteile zu tragen, die uns allen bekannt sind****

Was also bleibt dann von solch einem Tag (ausser der Erkenntnis, dass er wohl ziemlich überflüssig ist)?
Für einige meiner Geschlechtsgenossen vielleicht ein Grund sich mal wieder gemeinschaftlich die Kante zu geben, für andere der fade Nachgeschmack einer vermeintlich “ ungerechten“ Welt, die nur noch böse zu uns „armen Geschöpfen – der ehemaligen „Krone der Schöpfung “ –  ist  —-  und für mich neben dem Satz aus der Überschrift auch noch  die „ernst gemeinte“  Erkenntnis des Herbert Grönemeyer aus dem oben zitierten Songtext:

„Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich!“

Wie Frauen übrigens auch.
Denn ohne einander geht es nicht.


*)Die Songtexte habe ich  aus Copyrighttechnischen Gründen nur verlinkt – auch wenn hier keine unberufenen Augen mitlesen können.
Ich bitte mir das trotzdem nachzusehen.

**) ironisch überspitz gemeint, aber durchaus ein Konzept, hinter dem ich stehen könnte

***) „anständig und ehrlich“:
Bei den Vokabeln kräuseln sich mir alle Nackenhaare.
Denn das sind Begriffe, die alleine aus unterschiedlicher politischer Sicht völlig unterschiedlich besetzt sein könnten.
Man nehme nur mal die „aufrechten Deutschen“ in unserem Land, die Waffennarren in Amerika, die Anhänger der PiS in Polen oder einige erzkonservative katholische Geistliche und ihre „Jünger“ als Beispiele  —— Was für  die „Anstand und Ehre“ bedeutet, kann doch für den Rest der Welt eigentlich kein Vorbild sein, oder ?

****) Beispielsweise ungleiche Bezahlung, ungleiche Aufstiegschancen, ungleiche Renten, um nur einige zu nennen…


1201

Veränderungen ?

So wirklich glücklich bin ich nicht über das, was ich schon länger weiss und was nun wohl in nächster Zeit eine Tatsache werden wird:
Die Überlegungen der Liebsten, das Bloggen einzuschränken, ja sogar möglicherweise aufzugeben, weil sie nicht mehr „ins Leere schreiben möchte“ und ihr die Kommunikation fehlt.  Auch in anderen Blogs, beispielsweise bei Karin, finden sich der Gedanke, sich weg vom Bloggen und vermehrt hin zu Facebook zu wenden.
Gedanken, die ich gut nachvollziehen und auch teilen kann, denn im Grunde geht es mir ja ähnlich angesichts der wenigen noch wirklich aktiven Blogs und der zunehmenden Verödung des  Bloggersdorfes, wie wir es einmal kannten –  und dem Gefühl, für Menschen zu schreiben, die mehrheitlich unsere Inhalte nur konsumieren  und wenig bis gar nicht darauf reagieren.

Und damit landen wir wieder bei den Fragen, die wir uns vor Monaten, kurz nach der Abschottung unserer Blogs, schon mal gestellt haben:

Uns beschäftigt viel mehr die „stille Leserschaft“, diese Menschen, von der und über die wir bisher ….. so gut wie gar nichts wussten.

Was sind das für Menschen?
Was suchen die hier bei uns?
Was hindert sie, sich zu beteiligen, sich zu „zeigen“?

Und daraus folgend die Fragen:

Wollen wir überhaupt, dass uns völlig Unbekannte so an unserem Leben teilnehmen und uns zusehen, wie wir uns „bis auf die Unterhose“ausziehen?
Müssten wir nicht angesichts dieser Zahl der stillen „Vojeure“ viel mehr Vorsicht walten lassen und noch genauer überlegen, was wir hier schreiben?

Fragen, auf die wir seither keine Antwort bekommen haben, obwohl sich kurzfristig danach die Frequenz der Kommentare für einige wenigeTage erhöht hat.
Ein Phänomen übrigens, mit dem ich auch jetzt wieder rechne, dass aber sicher keine Nachhaltigkeit zeigen wird – und auch keine Verbesserung des unguten Gefühles mit sich bringt, welches damit verbunden ist.

-_-_-_-_-_-

Wobei ich persönlich damit weniger Probleme habe als meine Liebste, weil mein Blog von Anfang an als persönliches – wenn auch öffentliches  – Tagebuch konzipiert war, ohne grossen Anspruch auf Kommunikation, die sich darüber eventuell generieren könnte:

…ein Tagebuch ist das, was mir vorschwebt, während ich diese Zeilen schreibe.
In erster Linie geschrieben als Gedankenstütze für mich – als Ablageort für meine Gedanken, Gefühle und Erlebnisse.
……..
Da ist aber auch der Gedanke, eher privat zu bleiben mit meinem Geschreibsel, für mich zu schreiben, für meine Liebste und – wenn mal jemand über diesen Blog stolpert – vielleicht auch für den, der dann Interesse an meinen Sätzen hat……

Im Gegensatz zu meiner Liebsten, deren persönliches Blog-Konzept (herkommend aus alten Bloggerzeiten) eher auf Kommunikation  und Austausch angelegt ist – und die deshalb möglicherweise jetzt ganz zu Facebook abwandern wird und ihren Blog allenfalls rein privat weiterführt (ob nur für sich, oder für einen eingeladenen Leserkreis anderer Blogger sei jetzt mal dahingestellt)
Wobei sicher auch unsere Abschottung und die damit verbundene Undurchlässigkeit für eine neue Leserschaft eine Rolle spielt, auch wenn wir darüber nicht explizit gesprochen haben.
Den Erfolg also kann Jupp sich an die Fahnen heften.

-_-_-_-_-_-

Dennoch stellt sich auch für mich die Frage, wie ich weiter machen will – wobei allerdings Facebook für mich persönlich keine Alternative mehr darstellt, nachdem ich mich vor einem guten Jahr von dieser Plattform zurück gezogen habe*.

Was bedeutet, dass mein Blog wohl weiter bestehen wird, wenn auch möglicherweise mit noch nicht weiter durchdachten Veränderungen:

Spontan neige ich zwar dazu, diesen Blog wieder weiter zu öffnen – und dabei einige Themenbereiche in Zukunft auszuklammern (bzw. per Passwortschutz nur noch einem ganz engen Leserkreis zugänglich zu machen), aber es kann auch in eine ganz andere Richtung gehen, ähnlich der, die ich weiter oben schon als Perspektive für den Blog der Liebsten angerissen habe:

Rein privat, mit ganz kleinem, eingeladenen Leserkreis, der aus Menschen besteht, über die ich selbst auch Einiges weiss – z.B. weil sie selbst auch Blogs betreiben oder betrieben haben  – oder sehr regelmässig unsere Beiträge kommentiert haben, – oder die ich persönlich kenne und mit denen ich freundschaftliche Beziehungen habe. Für die stillen Leser wäre das nicht schön, das gebe ich zu.  Aber ich bitte zu bedenken, dass wir dabei nur das selbe in Anspruch nehmen, was Ihr für Euch reklamiert: unsere Privatsphäre!

Darüber also  werde ich noch nachdenken müssen und die Entscheidung auch sicher  nicht übers Knie brechen. (wobei ich  natürlich auch die Entwicklungen mit einbeziehen werde, die sich nach diesem Post ergeben )
Schreiben werde ich auf jeden Fall weiter , die Frage halt ist bloss, wie, in welcher Form und für wen…..


*)Meinen Account gibt es allerdings noch, aber nur, weil weil nach wie vor den Messenger für unsere private Kommunikation nutzen und wir immer noch keine andere Möglichkeit eines plattformübergreifenden privaten Nachrichtendienstes gefunden haben, der nicht im Facebook-Universum eingebunden ist.
Was ich persönlich lieber heute als morgen ändern würde angesichts der Datenfülle die Menlo Park  – auch und gerade – über den Messenger über uns gesammelt wird – und der viel zu laschen Politik der Facebookmacher Rassisten und dem braunen Gesocks gegenüber.(+)  Meine Timeline beim blauen Riesen habe ich deswegen schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen und Links auf Facebook-Beiträge verabscheue ich inzwischen wie die Pest(++).

-_-_-_-_-_-

+) Jede Zeitung und jedes andere Nachrichtenportal, die solche Ideologie (unter dem Deckmäntelchen der vorgeblichen Meinungsfreiheit) unterstützt, würde wohl jeder von uns boykottieren und nicht noch zu seiner Gewinnmaximierung beitragen.
Bei Facebook hingegen tragen selbst wir, die wir dagegen sind,  noch dazu bei, diese kackbraunen Inhalte weiter zu verteilen und zu puschen, indem wir darauf klicken,  sie kommentieren und teilen(in der Hoffung Widerstand dagegen zu generieren) und so dafür sorgen, dass sie für die Facebook-Algorithmen als attraktive Beiträge erscheinen, mit denen sich zusätzlicher Gewinn erwirtschaften lässt. Facebook selbst brät sich ein Ei darauf, wie menschenverachtend diese Inhalte sind – Hauptsache der Rubel rollt.

++) Wie man aus dem verlinkten Beitrag entnehmen kann, sammelt Facebook ja nicht nur über mich, was ich selbst dort hinterlasse, sondern auch alles, was von anderen in meiner Timeline platziert wird bzw. über die „Folgen“ Funktion dort auftaucht, ohne das ich den kleinsten Einfluss darauf habe:

Jedes Like nebst Aufenhaltsort, von dem es abgegeben wird, jedes Wegklicken eines Beitrages, jeder Artikel, den ich lese – Facebook registriert alles und schafft sich so ein Bild meiner Persönlichkeit, meines Bewegungsprofiles, meiner politischen Ansichten, meiner sozialen Stellung, meiner Beziehungen, meiner Konsumgewohnheiten, meiner Ess- und  Schlafgewohnheiten, ja, sogar meiner sexuellen Präferenzen und meiner Erkrankungen.
Daten, die man als User zwar abrufen und ggf. mit viel Mühe vielleicht auch löschen kann – jedoch ohne jeglichen Anspruch auf Vollständigkeit.
Was trotzdem auf ewig in den Tiefen der Facebook-Computer erhalten bleibt (und für keinen User einsehbar – geschweige denn löschbar – ist) sind die Schlüsse, welche die Algorithmen der Plattform daraus ziehen und wem sie  zugänglich gemacht werden. Wobei mich weniger stören würde, wenn Herr Trump beim Frühstück lesen kann, was ich von ihm halte, als vielmehr, dass in Zeiten der globalen Vernetzungen auch (möglicherweise) Firmen, Organisationen  und Personen die Daten erwerben könnten, denen ich ganz sicher keinen Einblick in mein Leben und meine Gewohnheiten gewähren möchte.
Geld regiert die Welt – und das gilt insbesondere auch für Facebook, weil es sich im Umgang mit unseren Daten als keinesfalls transparent erweist, wenn es darum geht, offenzulegen, was mit diesen passiert.

Nennt es meinetwegen paranoid, aber mir persönlich bereitet dieses menschenverachtende und nur gewinnorientierte blaue Datenmonster mehr als nur Unbehagen. Orwells Big Brother war dagegen ein Kinderspielzeug.


1192

Reprise

Spass haben muss wirklich  eine todernste Angelegenheit sein!

So könnte man wohl aus einem der Kommentare schliessen, die ich auf meinen gestrigen Beitrag bekommen hab, in dem ich ja lediglich ein kurzes Statement zu meiner möglichen „Verkleidung“ während der nun zur Hochform auflaufenden närrischen Zeit gegeben habe. Ohne auch nur  die geringste Wertung derjenigen vorzunehmen, die sich gerne ins Jeckengetümmel stürzen.

Sollen sie doch.
Ich habe überhaupt nichts dagegen, solange man mich damit nicht behelligt oder zum Mitmachen nötigen will.
Genau so wenig, wie ich etwas gegen das Münchener Oktoberfest,  Fussballspiele, den Hafengeburtstag, den Schlagermove,  die in meiner ostwestfälischen  Heimat üblichen Schützenfeste  oder ähnliche Brauchtumsveranstaltungen habe, deren Sinn sich mir  persönlich nicht erschliessen mag.

Vom Kalender verordneter Frohsinn oder Saufen bis zum Umkippen?
Rumlaufen in grüner Jacke mit Gewehrattrappe und Eichenlaub am lächerlichen Hut?
Fahneschwenkenderweise im Stadium rumgröhlen?
Mir eine bunte Perücke aufs Haupt stülpen und wieder Schlaghosen tragen?
Alles nicht meins!
Was jetzt nicht heisst, dass ich eine Spassbremse bin oder zum Lachen in den Keller gehe.

Und doch habe ich eine Meinung dazu, die ich mir erlaube,  gelegentlich* zu äussern – was auch beinhaltet, dass ich mir das Recht herausnehme mich darüber ein wenig lustig zu machen.
Auch wenn das vielleicht dem einen oder anderen nicht passen mag, der das anders sieht…..
Dafür dann Intoleranz vorgeworfen zu bekommen, finde ich gelinde gesagt eine Frechheit (und ziemlich intolerant meiner Meinung gegenüber)

Intolerant bin ich nur gegen  eine Gruppe, nämlich derjenigenen, deren „Brauchtum“ aus Rassenhass, Fremdenfeindlichkeit und Stigmatisierung Schwächerer oder anders Denkender besteht. Das sollte eigentlich jeder mitbekommen haben, der öfter mal mein Geschreibsel liest  – wozu im Übrigen niemand gezwungen ist.
Ansonsten halte ich es schon qua Erziehung  und Sozialisation für eine Frage des guten Tones, jedem seine Meinung und seine Moralvorstellungen  zu lassen, auch wenn sie nicht meine sind.

In diesem Sinne:

Gute Reise, liebe S. und viel Spass beim Karneval!
Schade, dass Du nicht mehr zur Diskussion beizutragen hattest.
Mich hätte nämlich wirklich interessiert, was am närrischen Treiben so faszinierend ist, dass man darüber so in Rage kommen kann?


*) vergl. dazu auch meinen Beitrag vom letzten Jahr, in den ich meine Meinung zum Thema Karneval dezidiert dargelegt habe 8-)


1190

Nicht ganz ernst zu nehmende (?) Gedanken zum 9. November

Zum Glück ist die mediale Hype um das Datum des Mauerfalls jetzt erst mal wieder vorbei – für ungefähr 350 Tage – und die thematische Auswahl der üblichen Dokumentationssender wird sich wieder den üblichen Themen zuwenden, die dort normalerweise Dauerbrenner sind:
Hitlers Helfer, der zweite Weltkrieg, der erste Weltkrieg (aber nur eingeschränkt, weil es weniger Bildmaterial gibt), deutsche Adelsgeschlechte, das Leben der Ritter – und was dergleichen Themen mehr sind, die dort in ständiger Wiederholung rauf und runter laufen und nach der tausendsten Wiederholung in hunderten verschiedener Varianten  jeglichen Neuigkeitenwert eingebüsst haben.

Wobei sich an der Priorität der Themen aus dem dritten Reich (die KZs fein säuberlich ausgeklammert)  wohl wenig ändern wird – dicht gefolgt von den „Schrecken des SED-Regimes“ und „Leben in der DDR“.
Es gruselt halt so schön wenn man sich vom sicheren Sofa aus damit berieseln lassen kann, ohne mit den wirklichen Schrecken oder harten Fakten behelligt zu werden. Hitler hat also Konjunktur , genau wie Ulbricht – und scheint immer für gute Quoten gut zu sein, wenn man den eingeschränkten Zuschauerkreis dieser Sender berücksichtigt.

Allerdings bemerkt man als regelmässiger Zuschauer dieser Sender im Lauf der Zeit auch eine deutliche „Schmalspurigkeit“ in dieser Form der Geschichtsbewältigung, die nicht immer Wert auf ein objektives Bild legt, sondern eher die Sensationen  in den Vordergrund stellt, die mit den Ereignissen verbunden ist, ohne die Hintergründe wirklich zu beleuchten.
Beim Mauerfall genau so wie bei allen Themen aus den Geschichtsperioden davor:
So habe ich ja gestern schon in einem Kommentar angemerkt, dass fast in keiner dieser Sendungen der geschichtliche Hintergrund betrachtet wird, der zur deutschen Teilung und damit erst zum Bau der Mauer geführt hat –  dass also Hitler’s Regime daran genau so viel Anteil daran hat wie Ulbricht Jahre später, ja der Ursprung eigentlich schon im Kaiserreich liegt und bei seinem Zerfall in der Novemberrevulotion 1918 …. der – übrigens auch an einem 9.November  –  mit dem Ausrufen der ersten Deutschen Republik durch Friedrich Ebert und Karl Scheidemann seinen Höhepunkt nahm.

Das aber interessiert irgendwie sowieso niemanden.
Sind doch die Bilder von den Menschen auf der Mauer vorm Brandenburger Tor plakativer (und in den Köpfen der meissten Menschen wohl auch näher), weil viele von uns selbst dabei waren  – egal ob in Berlin oder vorm heimischen Fernseher.
Und so beeindruckend – und auch bedeutend – für unsere deutsche Geschichte gerade dieses Ereignis auch gewesen sein mag: Es ist nur ein Ereignis in einer langen Kette von Geschehnissen, die alle kausal miteinander verbunden sind.
Das sollte man dabei nicht vergessen!

Genau so wenig wie die Judenverfolgung im dritten Reich, die auch Teil dieser Kausalkette ist und mit der Progromnacht vom  9. November vor 81 Jahren einen ersten schrecklichen Höhepunkt erfuhr, der dennoch nur ein schwaches Wetterleuchten war verglichen mit dem, was danach kam….

Erschreckend, dass darüber gestern nur am Rande geredet wurde (die Tagesschau hatte dafür ganze 30 Sekunden  übrig, noch weniger für den Bericht aus Bielefeld, wo sich eine wirklich grosse Menschenmenge einem winzigen Häufchen von Nazis und Holocaustverleugnern entgegenstellte, die ausgerechnet am Jahrestag der Kristallnacht  zugunsten einer von Hitlers Gedankengut  verblendeten alten Frau demonstrieren mussten ) während den Festivitäten um  den Mauerfall  und der üblichen Fussballhofberichterstattung fast der gesamte Rest der Sendung vorbehalten war….

Traurig eigentlich – und gleichzeitig Anlass, den Gedanken mal weiterzuspinnen, was sich aus diesem „Gedenktag“ entwickeln könnte, wenn man zwanzig Jahre in die Zukunft guckt:

Vermutlich wird man dann nur noch den Mauerfall feiern als einziges Ereignis, zu dem es noch lebende Zeitzeugen gibt – als Fest für alle Nationalisten und Anlass, stolz das schwarz-rot-goldene Tuch zu schwenken, während die November-Revolution und  der Holocaust nur noch in den Geschichtsbüchern vorkommen.

Sicher wird bis dahin auch  irgendjemand auf die Idee gekommen sein , dass dieser 9. November doch ein willkommener Anlass zur weiteren Kommerzialisierung ist, zu dem man nicht nur Fähnchem, Mützchen und Schals, sondern gut auch weitere Devotionalien und Süssigkeiten  an den Mann bringen könnte:
„Mauerbrocken“ aus Marzipan, Ostalgie-Produkte jeder Coleur, Spielzeug-Mäuerchen samt Stacheldraht, Trabbi und Schlagbaum – nicht zu vergessen Computerspiele oder Handy-Apps, in denen man die Flucht aus der DDR nachspielen kann oder Tunnel unter den Grenzsperrwerken buddeln muss…
Natürlich wird es zu diesem „Event zwischen Halloween und Advent“  auch jedes Jahr eine neue Hymne in den Charts geben, weil die Musik-Industrie auch ihren Anteil haben will, genau wie der Blumenhandel, der zu diesem Anlass rote Nelken anbietet, bevor das Weihnachtsgeschäft beginnt….
Und logisch, dass man zur alljährlichen Mauerfall-Fete stilgerecht in  DDR-Kittelschürze und NVA-Kampfanzug geht, genau wie in Dirndl und Krachlederner aufs in ganz Deutschland stattfindende Oktoberfest.

Glaubt ihr nicht?
Ich schon!
Wer Recht behalten wird klären wir dann am 10. November  2039.
Versprochen!


1188

Anderthalb Kilometer

Eigentlich wirkt die Szene recht friedlich, die uns dieses Bild zeigt:Ein  Park, Bäume, ein See und dahinter, und –  wie gerahmt in der Mitte des Bildes, knapp einen Kilometer entfernt – ein Stadtpanorama samt Kirchturm. Also durchaus ein Ort, an dem man gerne verweilt – und es fehlt eigentlich nur noch die Bank, auf der man Platz nehmen und die Aussicht geniessen könnte….

Doch ganz so idyllisch wie es scheinen mag ist der Ort nicht, an dem wir uns befinden:
Denn der See vor uns ist der Schwedt-See, mitten in Brandenburg und eine knappe Autostunde von Berlin entfernt gelegen  – und das Städtchen heisst heute Fürstenberg an der Havel und  war  fast sieben  Jahre lang einer der Orte eines der grössten Verbrechen der Menschheitsgeschichte und damit ein  Ziel der Deportationen, die heute vor genau 81 Jahren in der Hauptstadt ihren Anfang nahmen – in der Reichskristallnacht am 9. November 1938

Damals hiess dieser Ort noch Ravenbrück* – genau wie das KZ, vor dessen Krematorium wir gerade stehen.Wir müssten uns nur umdrehen und ein paar Schritte gehen, dann würden wir die Verbrennungsöfen sehen – heute eine Gedenkstätte an die Verbrechen, die nicht nur an diesem Ort geschehen sind. Steril, kalt – aber immer noch ein Ort des Grauens….
Wie überhaupt das ganze Gelände des KZs mit seinen noch bestehenden Gebäuden, die aus jeder Pore das Unrecht atmen, welches damals geschehen ist.Um so unverständlicher für mich, dass damals niemand etwas gewusst haben will.
Denn die anderthalb Kilometer Distanz zwischen dem Kirchturm der Stadtkirche und dem Krematorium sind ja keine weite Entfernung.
Die Häftlinge werden also die Glocken über den See hinweg gehört haben – und umgekehrt dürfte bei Ostwind  auch der Rauch und der Gestank des Krematoriums seinen Weg bis in die Stadt gefunden haben.
Wohlmöglich auch die Schreie der gequälten Menschen.
Bekanntlich tragen ja auch menschliche Stimmen weit über das Wasser…
Und gesehen haben wird man den Rauch in der Stadt  sicher genau so gut, wie man vom Krematorium aus den Kirchturm erkennen kann.

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Genau diese Diskrepanz ist es, die mich immer wieder beschäftigt, wenn ich einen der Orte des Holocaust besuche – egal, ob er Ravensbrück, Auschwitz, Buchenwald, Neuengamme oder Bergen-Belsen heisst:
Denn die Verbrechen dieser dunklen Zeit geschahen ja unter den Augen der Menschen, ganz in ihrer Nähe:
Angefangen mit den Diskriminierungen der Juden in den frühen Jahren der Hitlerzeit, über die brennenden Synagogen und zerstörten Geschäfte  der Kristallnacht bis hin zu den Deportationen und der Vernichtung der späteren Jahre…..
All das will niemand bemerkt haben?

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Und wie ist es heute?
Würde so etwas  unbemerkt bleiben in einer Gesellschaft, in der es wieder hoffähig wird, gegen Flüchtlinge, Ausländer, ja sogar Juden zu hetzten? In der nach einem kurzen Aufschrei  schnell wieder zur Tagesordnung übergegangen wird wie nach dem Amoklauf in Halle vor ein paar Tagen?
Oder würde bewusst weg geguckt, weil es niemanden interessiert?
Genau so wenig wie das Elend der Obdachlosen und  der Flüchtlinge oder der alltägliche Rassismus, der immer mehr Raum gewinnt?

Nein, dass darf nicht passieren!

Deshalb ist es auch so wichtig, immer wieder den Finger in die Wunde zu legen und an das zu erinnern, was damals passiert ist:
Mit Stolpersteinen sowieso, wie diese in unserem Stadtteil, mit Denkmälern und Gedenkstätten wie in Ravensbrück,aber auch indem man immer wieder darüber schreibt oder spricht.
Selbst wenn inzwischen ein grosser Teil  unserer Bevölkerung denkt, das sei Vergangenheit und die solle man endlich ruhen lassen….

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Bleibt noch anzumerken, dass man bei mir vergeblich suchen wird, wenn es um das Thema Mauerfall geht.
Wer etwas darüber lesen oder sehen will, wird ja in allen Zeitungen und Fernsehprogrammen reichlich bedient. Da muss ich dann nicht auch noch meinen Senf dazu tun.


*)Mehr Bilder aus Ravensbrück  in unserem Bilderblog


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