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Kliniktagebuch – die Zweite – Kapitel 11

Untertitel:

Halbzeit

Die Hälfte der Reha ist also geschafft – was schön ist. Genauso schön wie das, was ich bisher erreicht habe und das, was ich möglicherweise noch erreichen werde.
Noch schöner wird es aber sein, wenn ich in elf Tagen um diese Zeit wieder zuhause sein werde bei meiner Liebsten und unseren Hauptmietern.
Vom leckeren gewohnten  Essen, dem  gemütlichen Sofa und meinem eigenen Bett mal ganz zu schweigen….

Aber zurück zu dem, was heute hier passiert ist:
Schlecht geschlafen habe ich letzte Nacht gut, und folglich hatte ich mir eigentlich überlegt, das heutige Bergfest mit einem faulen Tag zu begehen, an dem neben der morgendlichen „Tour de Nauheim“  auf dem Fahrrad-Ergometer und der obligatorischen  abendlichen Runde  auf dem Hamster-Förderband (dem Laufband) nicht allzuviel an Bewegung vorkommen sollte – ausser vielleicht einem kurzen Gang  in die Stadt zu einem schönen, dem Anlass angemessenen Kännchen Kaffee

Aber gekommen ist es natürlich ganz anders, als ich mich nach einem ausgedehnten Mittagsschläfchen auf den Weg gemacht habe.
Nach einem Schlenker um den Sprudelhof herum in  den Kurpark bin ich irgendwie falsch abgebogen  (kein Zufall) und am grossen Teich herausgekommen, den ich ja letztes Wochenende schon mal umrundet habe und dann Richtung Ski-Wiese und Skulpturenpark abgebogen – beides Ziele, die ich auch noch auf dem Zettel hatte.
Wobei die Ski-Wiese wirklich schön ist als Landschaftspark mit viel Weite, zwischen zwei Wäldern gelegen und mit einem gut zu gehenden, wenn auch  teilweise sehr steilen Weg  immer wieder neue Ausblicke bietend. (Leider so steil, dass  ich das erste mal wieder Novalgin gebraucht habe, nachdem es ja seit Tagen ohne ging.)
Weniger schön  hingegen der  in allen Kur-Broschüren angepriesene Skulpturenpark, weil er natürlich geschlossen ist (ist ja noch keine Saison – ich mags nicht mehr lesen), so dass man zwar ein paar Steinklötze auf der benachbarten Streuobstweise besichtigen kann, aber die  wohl wirklich sehenswerten Bronzen und Steinmetzarbeiten nur aus Entfernung  und über einen Stacheldraht-bekrönten Zaun hinweg… also keinesfalls so, dass sich das Fotografieren lohnen würde.
Das war also nix….. und den Gang hätte ich mir sparen können….
Wobei: Zur Ski-Wiese werde ich wohl nochmal gehen, denn von dort aus führt ein Weg um den Johannesberg herum, der wirklich schöne Perspektiven bieten soll. Und auf den Berg wollte ich ja sowieso nochmal.
So  gesehen war der Weg also nicht vergebens – und was mein Gehtraining angeht ganz sicher auch nicht.
Macht immerhin nochmal sechs weitere Kilometer auf dem Nauheim-Tacho :-)

Nur Kaffee gab es halt keinen….


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„Deutsche Wochen?“

„Alexander hatte die Einladung spontan absagen wollen: vier Wochen Amerika? Aus allem herausgerissen werden, nicht mehr im Büchergang auf- und abschreiten, nicht im Garten den Frauen zusehen, wie sie sich über das Unkraut bücken; Harke und Hacke sind an die weiße Mauer gelehnt? Die rosa aufdämmernden Tage, die dunkelroten Sonnenuntergänge, die Silhouetten der Bäume vor den gefärbten Wolken – ausgreifend und verzweigt …
Einen Acht-Stunden-Flug ertragen über nachtdunklem Meer, eingeklemmt zwischen Rauchern und Tempotuchmenschen, von vorn Gestank in regelmäßigen Anblasungen und von hinten endloses Gerede? Dann:«drüben»von einer Stadt in die andere vagabundieren, beleuchtete Wasserfälle, nachgebaute Einwandererhütten, Bibliotheken, eine wie die andere, schlechte Hotels! – Und Tag für Tag Rede und Antwort stehen müssen für Dinge, die man nicht zu verantworten hat?
«Leugnen Sie auch den Holocaust?»“

Womit ich denn beim letzten Buch meiner Kempowski-Lesung angekommen wäre, und damit auch beim letzten Roman, den Walter Kempowski  vor seinem Tod veröffentlicht hat. Auch dieses Buch

Letzte Grüsse,

beschäftigt sich wieder mit dem Leben des fiktiven Autors Alexander Sowtschick, der in vielen Dingen deutliche Züge des Walter Kempowski trägt – und damit sicher auch wieder teilweise autobiographische Anteile in sich trägt. Was durchaus unterhaltsam zu lesen ist , nicht unspannend und  teilweise sogar wirklich komisch in seiner leicht satirisch überspitzenten  Erzählweise, genau wie der vorhergehende Band, den ich in gerade mal einer Woche „verschlungen“ habe, in Pausen zwischen den „Anwendungen“ oder Nachts, wenn ich mal wieder nicht schlafen konnte…

Wie immer gibt es auch noch den –  diesmal etwas nichtssagenden –  Klappentext :

„Alexander Sowtschick kommt mit seinem neuen Roman nicht so recht voran. Auch seine Ehe ist nicht mehr das, was sie mal war. Außerdem steht ihm eine Beleidigungsklage ins Haus und sein bevorstehender 70. Geburtstag löst zwiespältige Gefühle in ihm aus. Da kommt ihm die Einladung zu einer Lesereise durch Amerika gerade recht. Doch die Reise gestaltet sich nicht so, wie er es sich gewünscht hat. Über allem liegt eine gewisse Abschiedsstimmung, eine illusionslose Ironie. In diesem Roman setzt sich Walter Kempowski als, wie er sich selbst bezeichnet, „Unzeitgemäßer“ mit den Werten des „Alten Europa“ im Angesicht der „Neuen Welt“ auseinander.“
Und danach kommt dann mal wieder was ganz anderes auf den Reader 8-)

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