.

Zwiespältig

Gerade habe ich zum ersten mal den  Spot gesehen, mit dem der Elektronikhändler Saturn ins Vorweihnachtsgeschäft einsteigt:


Sehr emotional, und auf den ersten Blick ohne die erkennbare Zielrichtung, etwas verkaufen zu wollen, aber eben auch ein Spot, über den sich nachzudenken lohnt:

Was wir  da sehen, wird in nicht allzu ferner Zukunft vermutlich ein alltäglicher Bestandteil in der Arbeit mit Menschen sein, die unter Demenz leiden. Visualisierung von Erinnerungen sind nämlich durchaus eine Möglichkeit, diese Menschen ein wenig zurück zu holen in die normale Welt, genau wie Musik, Filme oder Geschichten, die diese Menschen in jüngeren Jahren gesehen und geliebt haben.
Denn damit sind meisst auch andere Erinnerungen verknüpft, z.B. an geliebte Menschen, an Orte oder  an wichtige Lebensereignisse.

Soweit ist es also durchaus gut, was wir in diesem Werbespot sehen, und vielleicht gibt das auch einen Anstoss dazu, diese technischen Möglichkeiten noch viel öfter anzuwenden, als das heute schon geschieht.

Und trotzdem sträuben sich mir gerade die Nackenhaare dabei, weil ich das Gefühl habe, da wird ein Mensch „vorgeführt“ in seinem Leiden und mit seinem Handycap. Auch wenn der alte Mann sicher durch einen Schauspieler dargestellt wird – der seine Sache übrigens richtig gut macht – sagt mir mein Bauchgefühl, dass sowas eigentlich nicht geht, menschliches Leiden als Aufhänger für einen Werbespot zu nehmen, hinter dem letztendlich eben  doch eine Verkaufsabsicht steht, auch wenn hier nicht für ein konkretes Produkt geworben wird.
Denn bei genauerer Betrachtung wird hier eine Imagewerbung unfeinster Sorte gemacht und der dargestellte alte Mann ist nichts weiter als ein Vehikel, das dazu dient, uns die Firma Saturn als sympathischen Wohltäter zu präsentieren, bei dem man natürlich lieber einkauft als bei der Konkurrenz vom „Geiz-ist-geil“-Markt. Und damit wird in die gleiche Kerbe geschlagen, die Edeka letztes Jahr auch schon erfolgreich genutzt hat:


Wir alle erinnern uns sicher an den einsamen alten Mann, der damals alleine vor der festlich gedeckten Weihnachtstafel sass und sich nicht anders zu helfen wusste, als seinen eigenen Tod vorzuspiegeln, damit seine Kinder ihn besuchen….

Auch dazu waren meine Gefühle sehr zwiespältig, genau wie zum aktuellen Saturn-Spot.

Denn so wichtig es vordergründig auch scheint, das Problem der Einsamkeit alter Menschen aufzuzeigen, kann es aus meiner Sicht nicht angehen, damit eine Werbebotschaft zu verknüpfen und schamlos die emotionale Botschaft der Clips auszunutzen, um sich damit hinterfotzig ein positiv besetztes Image zu generieren.
Würde die Werbebotschaft weggelassen, wäre das eine ganz andere Geschichte – aber so?

9 Replies to “Zwiespältig”

    1. Für gewisse Elektronikprodukte war ich durchaus schon bei Saturn – und werde da wohl auch weiter einkaufen, wie auch bei Edeka.
      Beides auch mangels Alternativen, wenn es um bestimmte Produkte geht.
      Insofern sind die Spots auch kein Grund für mich, diese Läden zu boykottieren, zumal Qualität er Waren und Preis auch in den meissten Fällen passt.

      Für bedenklich halte ich allerdings diese Werbemasche- für die die beiden Spots stehen, deshalb meine Anmerkungen dazu.

  1. Es gibt seit ein paar Jahren den Trend, die Weihnachtswerbung nicht mit Produkten zu verbinden sondern mit Weihnachtsbotschaften. Edeka und Saturn machen da nur mit (oder nach) was im internationalem Marketing üblich ist. Die Botschaft beider Firmen ist ja nicht, die Produkte von E. und S. zu kaufen, sondern an die Jüngeren zu appellieren, an die Alten zu denken. Der Unterschied nur ist, dass die englischsprachige Welt sich emotional darauf einlässt, während die deutsche Seele gleich verorten will. Übrigens das ist das Original :-)
    https://m.youtube.com/watch?v=cSU34BwObCQ
    John Lewis 2014. Seitdem packen alle Firmen ein Vermögen in die Weihnachtswerbung.

    1. Danke für das Video.
      Das kannte ich in der Tat genauso wenig, wie die Ursprünge :-)

      Womit du sicher Recht hast ist der Unterschied im Umgang damit, was deutsche und englischsprachie Welt angeht.
      Das mag vielleicht auch daran liegen, dass wir Deutschen diese Art von Werbung eher weniger gewohnt sind (gewohnt waren). Denn hierzulande funktioniert auch Fernsehwerbung häufig nach dem gleichen Prinzip wie die unsägliche Saitenbacher-Werbung im Radio:


      Möglichst oft den Produktnamen wiederholen, damit der tief genug im Hirn des Hörers verankert wird, dass er sich den bis zum nächsten Einkauf merken kann…
      Und dann bekommen diese sehr anders gestalteten – emotionalen – Clips, die ganze Geschichten erzählen schnell einen schalen Beigeschmack…

  2. Ja, die Saitenbacher Werbung ist ein gutes Beispiel wie manche den Zug verpassen. Übrigens war die Edeka Werbung hier damals als Gewinner ueber John Lewis gewertet, aber JL hatte 2015 mit seiner Geschichte vom Mann auf dem Mond eh Irritation hervorgerufen.
    Jedes Jahr das gleiche, alles wartet auf die Weihnachtswerbung der Grossen, und es werden Zeitingsartikel geschrieben als ob diese Theaterpremieren sind. Vielleicht sieht man in Deutschland auch bald die Kunst in diesen zugegebenermaßen besonderen Blocks, die auch nur ein Mal im Jahr kommen.

    1. Dabei behauptet der Herr Saitenbacher, -der diese Werbung übrigens selbst spricht – damit durchaus erfolgreich zu sein

      Was auch in soweit stimmt, als er damit schon eine hohe Popularität für deine Produkte erreicht hat.
      Die Marke kennt hier fast jeder

Comments are closed.

..