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Heimat – die Menschen?

Der Liter Milch ist zwar schon fast verbraucht, aber meinem Rücken geht es immer noch nicht so richtig gut – ergo ist auch heute nochmal „stille Beschäftigung“ in den häuslichen vier Wänden angesagt.
Gelegenheit also, mich weiter mit meinem Heimatgefühle-Projekt zu beschäftigen:

Wobei es heute darum gehen soll, wie weit es die Menschen sind, die heimatliche Gefühle in mir auslösen, nachdem ich im vorhergehenden Teil ja schon resümiert hatte, dass Orte (und Landschaften) alleine vielleicht nostalgische Gefühle in mir wecken können, letztendlich ohne die „zugehörigen“ Menschen für mich aber  nicht mehr als „Sehenswürdigkeiten“ sind, zu denen der engere Bezug weitgehend verloren gegangen ist.
Wie beispielweise das Dorf meiner Kindheit, welches sich in den über  fünfundzwanzig Jahren meiner Abwesenheit nicht nur baulich bis fast zur Unkenntlichkeit verändert hatte, sondern wo ich auch eigentlich niemanden mehr wieder gefunden habe, zu dem ich noch ein persönlichen Bezug gehabt hätte.
Das fühlte sich also nicht an wie „nach Hause kommen“ – und  die „heimatlichen Gefühle“ , die ich auf dem Weg zurück  ins Dorf vielleicht noch hatte, waren schnell verflogen.

Deshalb muss ich in meinen Überlegungen mal einen weiteren Schlenker machen – noch weiter zurück und wieder in die Zeit, als ich ein kleiner Junge war:

Mit sechs, sieben Jahren habe ich mal eine Zeitlang in Kassel bei meinen Grosseltern gelebt, genau gesagt ein gutes dreiviertel Jahr, weil meine Mutter krank war und mein Vater es neben seiner Arbeit und den Krankenbesuchen bei meiner Mutter nicht mehr schaffte, uns drei Kinder zu versorgen.
Was vielleicht erklären mag, warum diese nordhessische Stadt in meinen Gedanken auch immer eine besondere Rolle spielt, wenn ich über Themen wie Liebe und Geborgenheit – aber auch über den Begriff  „zuhause sein“  nachdenke. Ist doch das Haus meiner Grosseltern in dieser Zeit neben dem Dorf in der Senne ein zweiter Ort geworden, den ich als  „Zuhause“ im Sinne von „Heimat“ bezeichnen würde – und damals ganz sicher auch als solchen betrachtet habe.
Wobei die Stadt wohlmöglich austauschbar wäre – denn hätten meine Grosseltern und meine Tante in Hintertupfingen gelebt, würden meine Gefühle wohl dieselben gewesen sein. Die Personen wären ja die Gleichen und – da bin ich sicher! – sie hätten jeden Ort dieser Welt auf die gleiche Art mit ihrer Liebe gefüllt:

Auguste & August

Was vielleicht ein Grund dafür ist, dass ich mich nicht daran erinnern kann, während dieser Kasseler Zeit jemals Heimweh nach meinem Dorf gehabt zu haben.

Womit ich wieder zum Kern meiner Überlegungen zurück komme:
Heimweh – also die Sehnsucht nach einem Ort, den ich als „Zuhause“ bezeichnen würde  – habe ich eigentlich nie  – auch nicht später in meinem Leben – gespürt, solange ich mit Menschen zusammen war, denen ich mich in Liebe und Freundschaft verbunden fühlte.
Ähnlich, wie die Liebste es gestern in einem Kommentar beschrieb:

„…..hat mir (mal wieder) gezeigt, das ich diesen Ort der Geborgenheit brauche und der ist da, wo wir zusammen sind. Für mich ist das an keinen Ort, keine Region oder Landschaft gebunden.“

Was ich aber sehr gut kenne, ist die Sehnsucht nach Menschen, die mir im Lauf der Zeit verloren gegangen sind –  wie meine Grosseltern, wie Freunde – und ja, auch wie meine Kinder, zu denen der Kontakt durch die Wirrnisse des Lebens weitgehend abgebrochen ist. (Aber das ist wieder ein ganz anders Thema)

Wenn ich also den Begriff „Heimat“ versuche für mich zu definieren, dann komme ich unweigerlich  immer wieder auf die Menschen, in denen ich verwurzelt bin oder die prägend waren für mein Leben.  Und das müssen beileibe nicht nur Verwandte oder Freunde sein, sondern da denke ich beispielsweise auch an eine alte und mitunter auch sehr strenge Diakonisse, auf deren Station ich kurz nach meiner Ausbildung gearbeitet habe:
Schwester Änne – von der ich mehr über meinen Beruf und den Umgang mit Menschen  gelernt habe, als in all den Ausbildungsjahren davor. Schlussendlich war sie als mein Vorbild nämlich – ohne das zu wissen – auch „Schuld daran“, dass ich in den besonders in den lletzten Jahren meines Arbeitslebens genau das gemacht habe, was immer mein Traum war: Ein Pflegender zu sein im ursprünglichen Sinne und im direkten und mitfühlenden Kontakt mit Menschen, die meine Hilfe brauchen.

Aber zurück ins hier und jetzt – ins Hamburg des Jahres 2020:
Wenn ich heute gefragt werde, wo ich zuhause bin, dann kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen:

„In Hamburg!“

Was nichts mit Lokalpatriotismus zu tun hat – denn irgendwo ganz tief in meinem Herzen steckt ja immer noch der geborene Ostwestfale (!) – sondern damit, dass es damals vor vierzehn Jahren eine Hamburgerin gab, die meine Herz erbeutet  (deshalb „Beutehansetat“) und mich unwiderstehlich in diese Stadt gezogen hat, die ich inzwischen genau so liebe wie ich diese Frau liebe.
Hamburg ist mir also zur Heimat geworden, wie meine Liebste meine Heimat ist – wobei auch hier vermutlich das gleiche gilt, was ich schon weiter oben geschrieben habe:
Die gleichen Gefühle würde ich wohl auch für Hintertupfingen haben, wenn meine Liebste mich damals dorthin „verschleppt“ hätte. Denn dann wäre Hintertupfingen für mich sicher genauso lebenswert  und attraktiv gewesen, wie es Hamburg jetzt ist….

Orte sind also austauschbar, Menschen aber nicht, denn auf die kommt es an!
Und schlussendlich ist es wohl egal, wo Heimat für mich liegt, solange dort Liebe und Geborgenheit wohnen.
Selbst wenn mir hier wie dort vielleicht manches fehlt, was  ich am ehesten als „sinnlich“ beschreiben würde, weil es unmittelbar mit Reizen zu tun hat, welche die berühmten fünf Sinne ansprechen. Hören, Sehen, Schmecken, Riechen und Fühlen.
Auch das hat sicher was mit Heimatgefühlen im Sinne positiver Erfahrungen zu tun und könnte zum Thema eines weiteren Beitrages werden – ähnlich wie die Mentalität, die ja auch eine Rolle spielt, wie ich gerade gemerkt habe, als ich schrieb, dass tief in meinem Herzen noch ein Ostwestfale steckt…..

In diesem Sinne:
Bleibt gesund und bleibt behütet.
Wir lesen uns


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2 Replies to “Heimat – die Menschen?”

  1. Von Geburt an – ja sogar vom Mutterleib an – hat jede Berührung jedes Gefühl jedes Wohlgefühlt und Unwohlgefühl jeder Geschmack jeder Geruch mit dem Begriff Heimat zu tun alles darum herum sind Beigaben.
    Wichtig sind die Menschen die da sind oder „nicht“ da sind.

    😪

    1. „Wichtig sind die Menschen die da sind oder „nicht“ da sind.“

      Das genau ist der Aspekt, der aus meinem Gefühl heraus „Heimatgefühle“ ausmacht. Ohne die Menschen sind Orte nicht die gleichen.

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